Wien - Die "Frau ohne Gesicht" gilt als meistgesuchte Verbrecherin Deutschlands. Sechs Morde und ein weiterer Todesfall werden ihr zugeschrieben. Das österreichische Bundeskriminalamt und die deutsche Polizei gehen nun aber von verunreinigten DNA-Spuren aus. Bisher wurde nach dem "Phantom von Heilbronn" gesucht, einer geheimnisvollen Frau der zahlreiche Verbrechen in verschiedenen Ländern von Kleinstdelikten bis zu Gewalttaten zur Last gelegt werden. Auch in Österreich soll das "Phantom" mehr als 30 Einbruchsdiebstähle begangen haben.
Mehrere Täter
Massive Indizien sprechen nun dafür, dass bei den DNA-Proben etwas schiefgelaufen ist und mehrere Täter für die Delikte verantwortlich sein können, bestätigte Erich Zwettler vom BK einen Bericht von "stern.de". Dies habe eine Neuuntersuchung der Spuren ergeben. Da es sich allem Anschein nach nun verunreinigte DNA-Spuren handle, müssen diese Fälle vermutlich mehreren Tätern zugeordnet werden.
Verunreinigungen von Wattestäbchen-Verpackerin
Das baden-württembergische Landeskriminalamt untersucht nun, ob Wattestäbchen, mit denen Spuren an Tatorten gesichert wurden, schon vorher mit DNA verunreinigt waren. Wenn es sicher sei, dass die Spuren von einer Dame stammten, die die Wattestäbchen verpackt habe, "dann ist das aber eine sehr peinliche Geschichte", so Josef Schneider, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg.
Mysteriöser Fall
Der mysteriöse Fall machte die Polizei von Anfang an ratlos, die Aufklärungsarbeiten gingen nicht voran. An mindestens 40 verschiedenen Tatorten in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Österreich wurden DNA-Spuren des "Phantoms" gefunden. Die Spur der Gewalt geht bis in das Jahr 1993 zurück. Kopfzerbrechen bereitete den Ermittlern vor allem die unterschiedliche Vorgangweise des "Phantoms". Von brutalem Mord über schwere Einbrüche bis zum Kiosk- oder Schuleinbruch mit zwei Flaschen Coca Cola als Beute, sei alles dabei gewesen.
Serienverbrecherin
Die Polizei ging bisher von einer äußerst gefährlich geltenden Serienverbrecherin aus, die Ende April 2007 in Heilbronn eine 22-jährige Polizistin kaltblütig erschossen haben soll. Für ihre Ergreifung wurde eine Belohnung von 300.000 Euro ausgesetzt.
Verunreinigung als Ursache für die vielen DNA-Treffer
Die Polizei in Baden-Württemberg will wegen der Zweifel an der Existenz des "Phantoms von Heilbronn" nun alle Wattestäbchen für die Spurensicherung in ihren Lagern überprüfen. Denn verunreinigte Wattestäbchen könnten die Ursache für die vielen DNA-Treffer an Dutzenden Tatorten sein, die der angeblichen Serienverbrecherin und Heilbronner Polizistenmörderin zugeschrieben wurden.
"Es sind allein einige tausend bei uns in Baden-Württemberg, die auf eine mögliche Verunreinigung hin überprüft werden", sagte der Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) in Stuttgart, Horst Haug. Mitarbeiter der Firma, von der aus die Wattestäbchen in Umlauf gebracht wurden, müssen Speichelproben abgeben.
Hersteller von Wattestäbchen droht Klage
Baden-Württemberg will den Hersteller von Wattestäbchen klagen, wenn Verunreinigungen zu falschen DNA- Proben im Fall des "Heilbronner Phantoms" geführt haben. "Dann wird einiges auf die Firma zukommen", sagte der Innenminister des deutschen Bundeslandes, Heribert Rech (CDU), den "Stuttgarter Nachrichten" (Freitag-Ausgabe). Seit dem Heilbronner Polizistenmord im April 2007 habe die Polizei "riesige" Arbeits- und Materialkosten gehabt.
Das zuständige deutsche Landeskriminalamt untersucht fieberhaft, ob Wattestäbchen, mit denen Spuren an Tatorten gesichert wurden, schon vorher mit DNA verunreinigt waren. Eine österreichische Firma soll im Fokus der Ermittlungen stehen, hieß es in Deutschland.
Das Bundeskriminalamt (BK) in Wien wies diese Darstellung zurück. Die beiden betroffenen Landeskriminalämter Oberösterreich und Tirol hätten die Wattestäbchen, die für die Verunreinigung gesorgt haben sollen, zwar von einer Vertriebsfirma in Österreich bezogen. In dem Unternehmen sei allerdings nicht produziert worden, betonte BK-Sprecher Gerald Tatzgern. Die Produkte seien im Ausland, darunter jedenfalls Deutschland, hergestellt worden.
Die Ermittler konzentrieren sich laut Tatzgern auf die Herkunft der verarbeiteten Watte. Allem Anschein nach dürfte es dort und nicht bei der anschließenden Weiterverarbeitung zu Stäbchen zur Verunreinigung gekommen sein. (APA)