Sarajevo - Bosnien-Herzegowina sei nicht vergessen worden und sei in der Europäischen Union willkommen, allerdings müssten die bosnischen Politiker zuvor ihre Hausaufgaben machen, erklärte Valentin Inzko gegenüber dem Sender RTVFBiH. Der österreichische Diplomat übernimmt bei der Sitzung des Friedensimplementierungsrates (PIC) am heutigen Donnerstag in Sarajevo offiziell das Amt des Hohen Repräsentanten der Internationalen Staatengemeinschaft.

Zwei Hauptaufgaben des Bosnien-Beauftragten seien die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton und die Annäherung Bosniens an die europäischen Strukturen, unterstrich Inzko.

Eine Verfassungsreform sei keine Forderung der Staatengemeinschaft. Würden bosnische Politiker einen raschen positiven in dieser Frage Durchbruch erreichen, würde dies aber bestimmt einen guten Widerhall in der internationalen Staatengemeinschaft finden, meinte der Diplomat zu den Bemühungen führender bosnischer Politiker um die Verfassungsreform. Diese soll das komplexe Staatssystem funktionstüchtiger machen.

Bonn Powers

Die breiten Befugnisse des Hohen Repräsentanten, die sogenannten Bonn Powers, hätten gleich nach dem Kriegsende im Jahre 1995 eine Bedeutung gehabt und hätten heute eine ganz andere, meinte Inzko. Seine Amtsvorgänger haben rund 800 mal Gebrauch von ihren weitreichenden Kompetenzen gemacht. Unter anderem wurden dadurch rund 120 Gesetze erlassen und etwa 160 Politiker entlassen. 13 Jahre später gelte es, die Bonn Powers anders zu betrachten. Sie würden weiter genutzt und müssten existieren, doch könnten einige Fragen auch ohne sie gelöst werden, präzisierte Inzko.

Das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in Sarajevo werde in der Zukunft geschlossen werden, während gleichzeitig die Europäische Union ihre Präsenz in Bosnien stärken werde, erklärte Österreichs bisheriger Botschafter in Slowenien weiter, ohne jedoch einen Termin für die OHR-Schließung zu nennen. Inzko ist zugleich Sonderbeauftragter der EU für Bosnien.

Der Friedensimplementierungsrat (PIC), der die Umsetzung des Dayton-Friedensabkommens aus dem Jahr 1995 überwacht, hatte die OHR-Schließung an die Lösung mehrerer Fragen geknüpft. Unter anderem geht es um Regulierungen des Staatseigentums, die Verteilung der Steuereinnahmen, aber auch eine Strategie für die Entwicklung des Justizwesens. Für die Schließung des OHR treten vor allem die bosnischen Serben ein.

Bosnien-Herzegowina besteht seit Inkrafttreten des Friedensvertrages aus zwei, als Entitäten bezeichneten Gebietseinheiten: der serbisch dominierten Republika Srpska (RS) sowie der muslimisch-kroatischen Föderation. Die große Macht der Institutionen auf Entitätsebene steht einer reduzierten Funktionsfähigkeit des Gesamtstaates gegenüber. (APA)