Größer, länger, schwerer: Die Gigaliner rufen Begeisterung und Besorgnis hervor. Aber ganz so groß, lang und schwer wie die Fotomontage es illustriert, sind sie dann doch nicht.

Foto und Montage: Beigelbeck

Die Gegner bezeichnen sie als bedrohliche "Mega-" oder "Monster-Trucks", für die Befürworter sind sie der Inbegriff des Warenverkehrs der Zukunft: Die EuroCombis oder Gigaliner sind Lastkraftwagen-Kombinationen in Überlänge, deren mögliches Anrollen auf Europas Straßen regelmäßig die Gemüter von Autofahrern, Verkehrspolitikern, Spediteuren und Herstellern in Wallung bringt.

Allein die Abmessungen machen Eindruck: Mit einer Länge von 25,25 Metern sind sie um ein Drittel länger als herkömmliche Laster mit 18,75 Metern, das höchstzulässige Gewicht liegt bei 60 statt bei 40 Tonnen, das Ladevolumen vergrößert sich um die Hälfte. Auf den heimischen Straßen sind sie allerdings nicht unterwegs - und werden auch weiterhin keine freie Fahrt bekommen, wenn es nach Autofahrerclubs und dem Verkehrsministerium geht.

Die Lkws in Übergröße hätten "gravierende Konsequenzen" und würden eine "enorme Gefahr für die Verkehrssicherheit" darstellen, attestiert der ARBÖ, der Anfang März die Kampagne "Stoppt die Gigaliner" gestartet hat. Unfälle mit den riesigen Brummern würden schwerere Konsequenzen nach sich ziehen, mehr Staus durch längere Überholzeiten entstehen, warnt der ARBÖ. Außerdem könnte es durch die sinkenden Kosten für Lieferungen in größeren Mengen zu einer Rückverlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße kommen - abgesehen davon, dass erhebliche Investitionen in Autobahnen, Brücken, Tunnels und Parkplätze nötig wären.

Druck aus Skandinavien 

Die Befürworter, naturgemäß die Hersteller und ein Großteil der Transportbranche, geben sich in der öffentlichen Debatte eher zurückhaltend, betonen aber vor allem geringere Kosten sowie weniger Schadstoffausstoß und mehr Sicherheit durch die Bündelung von großen Transporten. Harald Bollman, Präsident des Zentralverbands Spedition und Logistik, hält die Diskussion für "aufgebauscht".

Die Gigaliner seien ein "umweltsinnvolles Fahrzeug", das nicht im Flächenverkehr, sondern nur in bestimmten Fällen, etwa von einem Terminal zum anderen oder auf Strecken, "wo die Bahn die Anforderungen nicht erfüllen kann", eingesetzt werden könnten.

Auf Druck Österreichs, Deutschlands und weiterer EU-Staaten wurden bisherige Vorstöße skandinavischer Länder zur EU-weiten Zulassung der Gigaliner erfolgreich abgewürgt. In Schweden und Finnland pflügen die Riesen-Lkws nämlich schon seit 1970 über die Straßen. Nach dem EU-Beitritt der beiden Länder 1995 wurde per Richtlinie die Möglichkeit geschaffen, die Standardanhänger so zu kombinieren, dass auch längere Lkws möglich sind. Im Jahr 2000 starteten die Niederlande einen ersten Großversuch, im Rahmen von weiteren Tests dürfen die Megabrummis auch in Dänemark und einzelnen deutschen Bundesländern fahren.

Nach der Uneinigkeit im europäischen Verkehrsministerrat ließ die EU-Kommission ein umfassendes Gutachten erstellen, das seit Jänner dieses Jahres vorliegt und grundsätzlich eine europaweite Zulassung der Gigaliner empfiehlt. Ein weiteres Gutachten mit detaillierteren Analysen soll im zweiten Halbjahr 2009 fertig sein. Da übernimmt auch Gigaliner-Befürworter Schweden, das mit Scania und Volvo zwei starke Hersteller repräsentiert, auch die EU-Ratspräsidentschaft. Bis 2010 könnte eine Entscheidung fallen.

Studien und Streitpunkte 

Für die Gegner, die sich bereits europaweit in der internationalen Plattform "No Mega Trucks" organisiert haben, steht fest: "Wir wollen vor den EU-Wahlen im Juni 2009 ein klares Bekenntnis der europäischen Parlamentarier gegen die Gigaliner", wie ARBÖ-Sprecherin Lydia Ninz erklärt. Noch im Frühjahr plant das Verkehrsministerium Studien über das Verkehrssicherheitsrisiko und Auswirkungen auf den heimischen Kombi-Verkehr, die Asfinag will im Sommer eine Kostenberechnung für das Autobahnnetz vorlegen.

Dass es durch die Megatrucks zu mehr Straßenbeschädigungen kommt, sei "ein Gerücht", weist Branchenvertreter Heinrich Bollmann die Befürchtungen zurück. Auch die großen Brummis müssten schließlich die gesetzlichen Anforderungen, etwa was die maximale Achslast betrifft, erfüllen. Mangelnde Lkw-Parkplätze auf Autobahnen seien schon jetzt "ein gravierendes Problem", auch der kombinierte Verkehr mit der Bahn sei nicht gefährdet.

In einem Punkt sind sich Pro- und Kontra-Gigaliner aber einig: Die Megatrucks der Großfrächter könnten kleine Spediteure immer mehr unter Druck bringen. Die Debatte ist damit noch nicht zu Ende. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2009)