Prag - Der tschechische Premier Mirek Topolanek wird am Donnerstagnachmittag Staatspräsident Vaclav Klaus offiziell die Demission seiner Koalitionsregierung überreichen. Das Kabinett hatte am Dienstag eine Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus verloren. Der Regierungschef wird um 15.00 Uhr auf der Prager Burg erwartet. Die tschechischen Medien spekulieren unterdessen intensiv, ob der Präsident Topolanek oder eine andere Person mit der Regierungsbildung beauftragen wird.
Nach Angaben der tschechischen Tageszeitung "Pravo" (Donnerstag-Ausgabe) ist der erneute Auftrag für Topolanek "unwahrscheinlich". Topolanek werde auf dem Hradschin, dem Sitz des Präsidenten, nach dem Fall seines Kabinetts wohl einen "weiteren Schock" erleben, schreibt das Blatt in Anspielung darauf, dass Topolanek und seine ODS den Auftrag für sich beanspruchen, weil sie sich weiterhin als Sieger der jüngsten Parlamentswahl 2006 fühlen.
Das Verhältnis zwischen Topolanek, Chef der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), und dem EU-kritischen ODS-Gründer Klaus ist nicht zuletzt wegen der Europapolitik gespannt. Der Sturz der Prager Regierung hat europäische Tragweite, weil Tschechien gerade den EU-Ratsvorsitz innehat.
Inszenierung
Topolanek dürfte es bei Klaus nun noch schwerer haben, weil er in einem TV-Interview am Mittwochabend dem Präsidenten sowie seinem innerparteilichen Rivalen, dem Prager Oberbürgermeister Pavel Bem vorgeworfen hat, den Fall seiner Regierung gemeinsam mit dem Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD), Jiri Paroubek, und ODS-Rebellen "inszeniert zu haben". "An dieser Rolle von Vlastimil Tlusty (ODS-Rebell; Anm.), Pavel Bem und Vaclav Klaus in diesem Spiel zweifelt wohl niemand", sagte Topolanek.
Der Sturz des Kabinetts ist laut Topolanek auf der Prager Burg (Klaus), dem Prager Magistrat (Bem), im Volkshaus (Prager Zentrale der CSSD), im Kreml und in der russischen Botschaft "gefeiert" worden. Auf der Prager Burg habe die Feier in der Nacht auf Mittwoch "bis 01.30 Uhr" gedauert, so der Premier.
Die CSSD fordert die Ernennung einer "Experten-Regierung", die das Land bis zu vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst 2009 oder im Frühjahr 2010 führen soll. Sie ist nach eigenen Angaben aber bereit, die bisherige Regierung bis zum Ende des tschechischen EU-Ratsvorsitzes als "Kabinett in Demission" zu dulden.
Laut Medienspekulationen könnte aber die jetzige Regierung rascher abtreten. Sollte Klaus schnell ein anderes Regierungsteam ernennen, könnte diese Regierung auch ohne das nötige Vertrauen im Parlament amtieren. Für Klaus sei nicht nur Topolanek, sondern auch die mitregierenden Grünen und besonders ihr Chef, Vizepremier und Umweltminister Martin Bursik, ein "Dorn im Auge", hieß es. Laut der tschechischen Verfassung kann der Staatspräsident eine beliebige Person mit der Regierungsbildung beauftragen. (APA)