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Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, sieht die Preisspirale nach unten in Gang gesetzt. Die österreichische Wirtschaft schrumpft stärker als zuletzt angenommen.

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STANDARD: Österreichs Banken können bis zu 15 Mrd. Euro aus dem Bankenhilfspaket holen, bis jetzt floss erst bei der Hypo Group Alpe Adria Geld. Geht das zu langsam?

Nowotny: Ich würde mir schon wünschen, dass es rascher geht. Die Nationalbank hat großes Interesse daran, die Kapitalstärke der österreichischen Banken international zu demonstrieren. Aber man soll die technischen und Kapazitätsprobleme nicht unterschätzen.

STANDARD: Die OeNB wird in dem Kontext demnächst auch die Bawag analysieren. Da prüft die OeNB Ihre Arbeit als Ex-Bawag-Chef?

Nowotny: Nein, wir haben das sehr sauber gelöst und schon am 24. September 2008 im Direktorium den Beschluss gefasst, dass alle Prüfungen, die die Bawag betreffen, im Instanzenzug direkt an Vizegouverneur Duchatczek statt an mich gehen. Im Fall des jetzigen OeNB-Hauptabteilungsleiters Bankenaufsicht, Ex-Bawag-Treasurer Reading, geht der Instanzenzug an Direktoriumsmitglied Ittner. Es gibt keinerlei Inkompatibilitäten.

STANDARD: Wie sehen Sie das Problem, dass Steuergelder in Banken mit ausländischen Aktionären fließen? Man befürchtet etwa, dass die Bank Austria Geld bekommt, ihre Osteuropa-Aktivitäten dann aber von UniCredit verklopft werden.

Nowotny: Rechtlich besteht kein Unterschied zwischen in- und ausländischem Aktionär, von jedem Eigentümer wird ein Beitrag zur Kapitalisierung erwartet. Zu Einzelinstituten wie Bank Austria sagt die Notenbank nichts, aber Sie können sicher sein, dass diese Themen bei den Verhandlungen, die das Finanzministerium mit den Bankern führt, eine Rolle spielt.

STANDARD: Die EU hat das Osthilfepaket auf 50 Mrd. Euro verdoppelt. Wird das reichen?

Nowotny: Absolut, zumal das ja nur eine Ergänzungsfinanzierung zu den Programmen des Währungsfonds ist, die an Vorgaben und Bedingungen geknüpft sind.

STANDARD: Österreichs Banken ist der Osten besonders wichtig, er war ihre Cashcow. 

Nowotny: Die österreichischen Banken gehen den richtigen Weg, indem sie in Osteuropa bleiben, sie verpflichten sich dazu ja auch schriftlich. Dass das alte Geschäftsmodell der Fremdwährungskredite gestoppt wird, ist gut; und auch die Kreditexpansion bis zu 50, 60 Prozent im Jahr wird es nicht mehr geben. Wir sind in einem Normalisierungsprozess, daher werden auch die Pioniergewinne geringer. Osteuropa wird zum erweiterten Heimmarkt, der sehr viel eher dem tatsächlichen Heimmarkt entspricht als einer neuen Welt.

STANDARD: Stichwort Neue Welt. Die USA kaufen um 1000 Milliarden Dollar faule Kredite an. Klug? 

Nowotny: Ja, für die USA ist das der richtige Ansatz. Sie haben eine sehr tiefe Krise, der Umbruch im Bankensystem ist größer als in Europa, alle Investmentbanken sind umgefallen oder mussten aufgefangen werden. Dort muss man zu solchen Mitteln greifen. Im Euro-Raum brauchen wir den Big Bang nicht, da kann man differenzierter vorgehen. Aus jetziger Sicht reicht es, dass Notenbanken und EZB Liquidität zur Verfügung stellen.

STANDARD: Können Sie sich diese Beträge eigentlich noch vorstellen?

Nowotny: Als Ökonom setze ich sie in Relation, etwa zum Bruttoinlandsprodukt, BIP. So gesehen sind die US-Entwicklungen nicht dramatisch, derzeit liegt die US-Staatsverschuldung bei rund 70 Prozent des BIP. Das sind handhabbare Größenordnungen, die einen gewissen Spielraum erlauben.

STANDARD: Wird die Inflation nach all dem auch handhabbar sein? 

Nowotny: Die US-Notenbank Fed sollte aus der jüngsten Vergangenheit gelernt haben; ich denke, sie hat ihre Geldmengenpolitik imGriff. Im Euroraum sehe ich überhaupt keine Inflationsgefahr. Unser Problem ist ein ganz anderes: eine zu niedrige Preissteigerungsrate, es gibt weltweite Deflationstendenzen. Bis zum Sommer oder Frühherbst wird es in einigen Ländern Europas, etwa in Deutschland und auch in Österreich, einige Monate mit Preisrückgängen geben. Das kommt vor allem aus den Preisrückgängen bei Öl. Fürs Gesamtjahr 2009 rechnen wir im Euroraum aber mit einer Inflationsrate von 0,7 bis ein Prozent. Das Preisstabilitätsziel der EZB liegt bei knapp zwei Prozent, wir verfehlen das - aber von unten.

STANDARD: Das heißt: Die EZB wird die Zinsen hinaufschrauben?

Nowotny: Das heißt, dass wir die Entwicklung sehr genau beobachten. Wir wollen die japanische Gefahr - niedrige Wachstumsraten bei negativen Inflationsraten über längere Zeit - bannen.

STANDARD: Wo werden wir beim BIP-Rückgang landen?

Nowotny: Der Welthandel bricht massiv ein, für Deutschland gibt es ernst zu nehmende Prognosen für einen BIP-Rückgang um fünf Prozent. Und unter Umständen ein paar Monate mit minus ein Prozent Inflation. Das wirkt auch auf Österreich. Realistisch gesehen dürfte das österreichische BIP um zwei bis 2,5 Prozent schrumpfen, die Inflationsrate sehen wir bei 0,5 bis ein Prozent.

STANDARD: Manager haben in der Krise ihren Ruf verloren. Zu Recht?

Nowotny: Es gab Fehlentwicklungen, aber die Zeit der exzessiven Entlohnung geht nun zu Ende. Wobei: In Österreich gab es diese Gehalts- und Bonifikationsexzesse, diese Kultur der nackten Gier nie. (Renate Graber, DER STANDARD, Printausgabe, 27.3.2009)