Je mehr Dokumente auftauchen, desto verwirrender wird die Angelegenheit. Wer sich, bei aller Anerkennung der Meriten Helmut Zilks, schon immer schwergetan hat, die ihm von interessierten Medien auf den Leib geschriebene historische Größe zu erkennen, muss wieder einmal der resignativen Maxime huldigen: Es ist alles so kompliziert. Wie dieses Meer von Plagen nun durchpflügen, ohne Störung der Totenruhe zu betreiben? Sind die Dokumente falsch oder sind es die Böhmen? Sind die Dokumente echt, aber ihre Inhalte falsch? Ist eigentlich gar nicht Zilk gemeint, sondern Václav Havel? Auf welcher Stufe der Rangskala - Schmähführer, Informant, Agent, Spion - ordnet man den Journalisten ein, der aus dem österreichischen Dunkel kam, ohne seine historischenVerdienste zu schmälern? Und damit ist die Frage noch gar nicht angeschnitten, ob Zilk den Bettel auch einkassierte, den man ihm für seine Bemühungen hingeworfen haben soll, in einem Aufwaschen den Kommunismus zu reformieren, unter der strikten Bedingung, dass Österreich daraus keinesfalls Schaden erwachse.

Kein Wunder, dass in einer solchen Situation die ebenso verständlichen wie berührenden Versuche der Witwe, telepathischen Exorzismus als historische Hilfswissenschaft zu etablieren und das Licht der Wahrheit mithilfe einer Funzel zu verbreiten, von den mehr der Idolatrie als der Aufklärung Verpflichteten in Politik und Medien begeistert aufgegriffen wurden. Nun stehen jene, die es mit dem späten, aber gerade noch rechtzeitigen Fund im Staatsarchiv für erwiesen halten, Zilk habe als Informant den Status der Unschuld nie verlassen, denen gegenüber, die einen problematischen Kontakt damit erst recht erwiesen sehen. Angesichts der patriotischen Aporie "Aufklärung oder nicht?" entschied man sich zunächst für das Leichtere - Entrüstung. Welche Mächte der Finsternis auch immer die Blase nun platzen ließen, hätten damit, auf dessen finale Wehrlosigkeit spekulierend, bis nach dem Ableben Zilks gewartet. Schäbig!

Dabei wird allerdings Zilks Wehrhaftigkeit zu Lebzeiten unterschlagen. Die Vorwürfe gegen ihn gab es schon vor zehn Jahren, als ihm die Süddeutsche Zeitung, bekanntlich ein deutsches Revolverblatt, sogar vorwarf, 1966 für Spionagetätigkeit 66.000 Schilling kassiert zu haben. Damals wies Zilk alle Vorwürfe zurück und meinte, "dass jetzt diese Lügen über mich verbreitet werden, ergibt keinen Sinn". Ob die Dokumente, die nun an die Öffentlichkeit gebracht wurden, den damals vermissten Sinn ergeben, könnte - wenn überhaupt - nicht durch Entrüstung, sondern nur durch eine Untersuchung geklärt werden.

Maßgebliche Kräfte glauben nun, Zilks Ansehen sei mit Entrüstung besser gedient als mit Untersuchung. Wir müssen Zilks Ansehen schützen und können daher darauf verzichten, meinte Bundeskanzler Faymann: Denn irgendwelche Kommissionen würden den Eindruck erwecken, dass an den Vorwürfen etwas dran ist. Auch eine Art Exorzismus. Eine Kommission könnte diesen Eindruck ja auch widerlegen. Von mehr Respekt vor dem Toten würde es zeugen, von der Annahme auszugehen, er selber würde alles veranlassen, um Wahrheit zu finden. (Günter Traxler/DER STANDARD-Printausgabe, 27. März 2009)