Einen "Propagandasender" fürchtet Grünen-Chefin Eva Glawischnig, wenn SPÖ und ÖVP mit dem ORF fertig sind. "Regierungsjubelfunk" erwartet FP-Chef Heinz-Christian Strache nach der geplanten ORF-Novelle der Koalition. Und BZÖ-Klubchef Josef Buchner sieht den ORF schon im "Würgegriff" von Rot und Schwarz.

Für Dienstag erzwangen die drei Oppositionsparteien am Freitag eine Sondersitzung des Nationalrats zum ORF. Medienstaatssekretär Josef Ostermayer wünscht sich eine "fundierte und nicht polemische Diskussion". O-Ton: "Der ORF sollte nicht für tagespolitische Auseinandersetzungen missbraucht werden."

ORF "unterwerfen"


Der Redakteursrat des ORF könnte ähnlich formulieren. Freitag wählte er drastischere Worte für ein umfangreiches Positionspapier: Die Journalistinnen und Journalisten des ORF "verwehren sich gegen alle Versuche, die finanzielle Krise des ORF zum Anlass zu nehmen", die Anstalt "stärkerer Kontrolle der parteipolitischen Macht zu unterwerfen". Sie "warnen eindringlich davor, dass Regierungsparteien versuchen, es zu einer Tradition zu machen, über Gesetzesänderungen stärkeren Einfluss auf den ORF zu nehmen". Die ORF-Führung plant, auch in der Information zu sparen  (DER STANDARD berichtete).

Der Redakteursrat: "Weitere personelle und finanzielle Einschränkungen" dort verursachten "zwangsläufig Leistungskürzungen, kaum umkehrbare Beschädigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen demokratiepolitischer Bedeutung und weitere Schwächung journalistischer Qualität in diesem Land". Die Journalistenvertreter fordern etwa „öffentlich kontrollierbare und nachvollziehbare" Bestellung von Stiftungsräten mit "Qualifikationsnachweis".

Den amtierenden Stiftungsräten könnten am 2. April Abwahlanträge für die ORF-Direktoren blühen, kursierte Freitag wieder. "Aus heutiger Sicht keine", sagt ORF-Chef Wrabetz. Anträge zu Tagesordnungspunkten gehen auch noch in der Sitzung. Beschlüsse über andere ad hoc gestellte Anträge kann ein Drittel der Räte verhindern. 

Von Raiffeisenchef Christian Konrad wird Sympathie für einen Verbleib Elmar Oberhausers als Infodirektor kolportiert (fid, DER STANDARD; Printausgabe, 28./29.3.2009)

Vorschläge und Forderungen der ORF-Journalisten im Wortlaut

"Gerade in einem kleinen Land, in dem die überwältigende Mehrzahl der empfangbaren Programme aus dem Ausland kommt und in dem die Medienlandschaft sowohl am Tageszeitungs-, als auch am Magazinsektor und auch in den Bundesländern weit überdurchschnittliche Monopol- und Kartellkriterien aufweist, kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine besondere Rolle zu - als unabhängiges, nationales, starkes Leitmedium, das (auch ökonomisch) entsprechend gesichert sein muss. Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist unteilbar und daher sind Ideen unsinnig, wesentliche ORF-Teile zu privatisieren, zB die Landesstudios gemeinsam mit Verlagen zu betreiben, oder reine Kommerzangebote in das ORF-online-Angebot zu integrieren.

Ein klares Bekenntnis zum Kerngeschäft des ORF ist (auch den EU-Vorgaben entsprechend) unverzichtbar. Dazu gehört natürlich vor allem das Informationsangebot im Fernsehen, im Radio, online, national wie regional. Werden da - wie geplant - weitere personelle und finanzielle Einschränkungen erzwungen, verursacht das zwangsläufig Leistungskürzungen, kaum wieder umkehrbare Beschädigungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen demokratiepolitischer Bedeutung und eine weitere Schwächung der journalistischen Qualität in diesem Land.


Grundvoraussetzung eines wirklich unabhängigen ORF ist eine völlig neue Konstruktion von dessen Aufsichtgremium.

Das ist (analog zu Aufsichtsräten anderer Großunternehmen) deutlich zu verkleinern (9 - 15 Mitglieder). Ein Drittel der Mitglieder sollten Belegschaftsvertreter sein, die allerdings bei der Wahl der Geschäftsführung nur in der im Aktiengesetz vorgesehenen Form mitwirken. Entsendung der Belegschaftsvertreter nicht nur durch den Zentralbetriebsrat, sondern auch durch die Konzernvertretung (also auch durch die BelegschaftsvertreterInnen der ORF-Töchter) und durch die Redakteursvertretung, damit auch sichergestellt ist, dass die ORF-JournalistInnen, die das Kerngeschäft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besorgen, im Aufsichtsgremium repräsentiert sind. Wer als „Eigentümervertreter" ins Aufsichtsgremium entsandt wird, muss öffentlich kontrollierbar und nachvollziehbar gemacht werden. Etwa - wie von den ORF-JournalistInnen schon mehrfach vorgeschlagen - durch öffentliche Ausschreibung. Für jedes der Mandate sollte ein Dreiervorschlag erstellt und veröffentlicht werden. Für jede/n KandidatIn ist ein Qualifikationsnachweis zu veröffentlichen. Jedenfalls sollen beim Auswahlmodus Voraussetzungen geschaffen werden, dass dem ORF-Aufsichtsgremium Mitglieder angehören, die persönliche Reputation zu verlieren haben und nicht Fraktionsvorgaben erfüllen. Auch sollten sie nicht in Geschäftsbeziehungen zum ORF stehen. (Was im Gesetz zu definieren ist, da sich seit Jahren zeigt, dass Stiftungsräte/Kuratoren nicht in der Lage/nicht Willens zu einer Selbstkontrolle von Unvereinbarkeiten sind).

Die von der EU geforderte ex-post-Kontrolle des ORF dem Rechnungshof zu übertragen, könnte durchaus sinnvoll sein. Absolut nicht sinnvoll wäre es jedoch, würde das an jährliche ORF-(Gebühren-)Debatten im Nationalrat gekoppelt. Die Zuständigkeit für die ORF-Gebühren könnte einer Art „paritätischen Kommission" (innerhalb einer neuen Medienbehörde?) übertragen werden, die über ORF-Gebühren-Anträge entscheidet, wobei im Gesetz Entscheidungsfristen festgelegt sein müssten.

Verbesserungen des ORF-Redakteursstatuts, um die Unabhängigkeit der Berichterstattung weiter abzusichern, die die wesentlichste Legitimation öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist.
Wirksame Änderungen des ORF-Redakteursstauts wären:

Sanktionen bei Statutverletzungen.

Abwahlmöglichkeit von Chefredakteuren, Hauptabteilungsleitern, Ressortleitern mit hoher (etwa 2/3-)Redakteursversammlungsmehrheit. Mit solcher Mehrheit müsste es aber auch möglich sein, die Geschäftsführung daran zu hindern, leitende Redakteure abzuberufen. Wie wichtig eine echte Mitbestimmung der ORF-JournalistInnen bei der Besetzung von Leitungsfunktionen wäre, zeigt auch eine vom ORF-Zentralbetriebsrat beauftragte IFES-Umfrage, in der Führungskräfte und die innerbetriebliche Kommunikation eine desaströse Beurteilung hinnehmen mussten.

Ökonomische Sicherung des ORF.

Dazu gehören selbstverständlich vernünftige Sparmaßnahmen im Unternehmen, wie etwa, von den ORF-JournalistInnen mehrfach vorgeschlagene, Strukturverbesserungen: von der Abschaffung überflüssiger Direktionen, Hauptabteilungen, etc bis hin zu sinnhaft organisierten Arbeitsabläufen; Maßnahmen des Gesetzgebers, wie die Refundierung der Gebührenbefreiungen, die Reparatur der 2001 per Gesetz verursachten Unternehmensschädigungen, wie etwa Werbebeschränkungen (die ausschließlich zum Nutzen deutscher Werbefenster sind), weiters die Bezahlung der Aufsichtsbehörde KommAustria, usw, sowie ein Ende der Koppelung von Landesabgaben mit ORF-Gebühren. (Derzeit gehen pro GebührenzahlerIn und Tag gerade 48 Cent an den ORF).


Der ORF ist aber in jedem Fall nur ein Teil einer sich rasant verändernden (internationalen) Medienlandschaft, in der es - auch hierzulande - immer mehr Medienbetreiber gibt, für die Medienmachen bloß ein Geschäftszweig wie jeder andere ist, wie der Verkauf von Unterwäsche, fast food, oder was auch immer. Wer da Anständigkeit, das Ernstnehmen ethischer Kriterien, das Funktionieren von Selbstkontrolle, etc erwartet, ist entweder hoffnungslos naiv oder völlig ahnungslos. Und dann darf auch nicht vergessen werden, dass der Wandel der Medienlandschaft dazu geführt hat, dass es für immer mehr Journalistinnen und Journalisten die Anwendung des Journalistengesetzes, journalistische Kollektivverträge oder sonstiger medienspezifischer Regulative kaum mehr gibt: nämlich zB in den meisten Onlinebereichen, beim Privat-TV und beim Privat-Radio. Es braucht also Rahmenbedingungen, die garantieren, dass nicht jene, die sich zu Regeln im Sinn der besonderen Verantwortung von Medien bekennen, dadurch auch noch Wettbewerbsnachteile hinzunehmen haben.


Daraus ergibt sich die Notwendigkeit folgender Maßnahmen:

Die (künftige) Koppelung von Privatrundfunklizenzen und Medienförderungsauszahlung an die Existenz von (gesetzlich definierten) Redaktionsstatuten, an das Bekenntnis zu einem Medienehrenkodex und an die Einhaltung arbeitsrechtlicher Mindeststandards. Können diese nämlich weiterhin verhältnismäßig problemlos unterlaufen werden, so bedeutet das nicht nur eine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse, sondern auch eine Verwüstung der gesamten Medienlandschaft, den Verzicht auf jegliche Qualitätskriterien im Journalismus. Eine Koppelung der Vergabe von Lizenzen und Förderung ist auch kein „Eingriff in die Privatautonomie", sondern entspricht bloß der Unterscheidungsnotwendigkeit zwischen Medien, die bereit sind, wenigstens ein Mindestmaß der besonderen, verantwortungsvollen Rolle der Medien in der Gesellschaft wahrzunehmen und jenen, für die Medienmachen sich in nichts von allgemeiner, gewöhnlicher Geschäftstätigkeit unterscheidet.


Umstellung der Presseförderung auf Medienförderung, die eindeutig als Qualitätsförderung zu definieren ist.

Anpassung des Journalistengesetzes an die Entwicklung der Medienlandschaft. Z.B. Berücksichtigung der Online-JournalistInnen.

Eine „Medienbehörde neu" muss verfassungsrechtlich unabhängig gestellt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass so weit wie nur irgendwie möglich auf Selbstkontrollmechanismen gesetzt wird.

Der BKS (Bundeskommunikationssenat) hat sich selbst gegenüber der einstigen - wahrlich nicht immer optimal funktionierenden - Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes als Rückschritt erwiesen, weil die Zusammensetzung ausschließlich mit Juristen dazu führte, dass in einer Medienkontrollinstanz offensichtlich auch Mitglieder ohne jeglichen medialen Sachverstand werken können. Das hat auch mehrfach dazu geführt, dass Verfassungs- bzw Verwaltungsgerichtshof BKS-Sprüche aufgehoben haben. Bei einer notwendigen Neukonstruktion des BKS ist dafür zu sorgen, dass auch Medienfachleute berufen werden und auch für die juristischen Mitglieder wenigstens ein gewisses mediales Wissen Voraussetzung ist.

Die Sicherung der arbeitsrechtlichen Stellung von „Content-LieferantInnen" (= Medieninhalte unterschiedlichster - auch nicht journalistischer - Art Liefernder). Die rechtliche Stellung der in den Medien Tätigen ist durch wachsende Unsicherheit und die Bedrohung der Erwerbsbasis gekennzeichnet. Die bestehenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen reichen längst nicht mehr aus, um vor allem das Problem der so genannten freien Mitarbeiter zu lösen. Umgehungstatbestände und offener Druck der Medienunternehmen auf die Betroffenen verhindert hier die Durchsetzung des Rechts. Notwendig sind eine eindeutige Definition des Begriffes „abhängige Arbeit" und bessere Regelungen zur Durchsetzbarkeit des Arbeitsrechts.

Einheitliche kollektivvertragliche Rahmenregelungen für sämtliche Medienbetriebe, einschließlich Tochterfirmen (wofür auch die Streichung der bei der letzten ORF-G-Änderung ins Gesetz geschriebenen KV-Zuständigkeit des ORF-Zentralbetriebsrats eine Voraussetzung ist).

Regelmäßige Prüfung der redaktionellen Qualitätssicherungssysteme privater Rundfunkbetreiber durch die (neue) Medienbehörde. Etwa nach Schweizer Vorbild, wo das BAKOM (Bundesamt für Kommunikation) von externen Fachleuten u.a. prüfen lässt: liegen in den Sendern qualitätssicherungsrelevante Dokumente vor und sind darin inhaltliche und formale Qualitätsstandards formuliert? Finden sie in der journalistischen Praxis Anwendung? Welche Mechanismen und Strukturen bestehen zur Vorbeugung von redaktionellen Fehlleistungen? In welcher Weise sind sie im journalistischen Alltag erkennbar? Sind die vorhandenen personellen Ressourcen des Veranstalters ausreichend? Sind die Anstrengungen der Sender im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Programmschaffenden angemessen?


Medienpolitik ist überfällig!"