Keine guten Nachrichten für und von Josef Pröll: "Niemand kann realistisch sagen, wie tief es wirklich hinuntergeht."

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Die Arbeitsplätze schwinden, das Budgetdefizit steigt, die Wirtschaftsprognosen weisen in den Keller: Wie Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef Josef Pröll die Krise bewältigen will, erklärt er Gerald John.

STANDARD: "Warum sollen wir für eure Krise zahlen?" , fragen sich am Wochenende Demonstranten auf der ganzen Welt. Ihre Antwort?

Pröll: Das ist nicht "deine" oder "meine" Krise, sondern unsere gemeinsame Krise, die es zu meistern gilt. Da hilft uns keine Demonstration, sondern nur knochenharte Arbeit weiter.

STANDARD: Viele Leute wundern sich halt, dass Banken Gewinne bejubeln, sogar Dividenden zahlen und gleichzeitig um Staatshilfe bitten.

Pröll: Die Gewinne stammen alle noch von 2008, als die Krise kaum spürbar war. Nun gilt es, das Bankensystem zu stabilisieren, auch im Sinne der Sparer und Kreditnehmer. Wir schenken nichts her, die Banken zahlen Zinsen und später das Geld zurück. Was wäre denn die Alternative? Hunderttausende Spareinlagen zu gefährden?

STANDARD: Nein. Aber Sie könnten Banken verbieten, Gewinne auszuschütten, damit Steuerzahler nicht Profite der Aktionäre finanzieren.

Pröll: Das Eigenkapital, das wir den Banken zur Verfügung stellen, kann nicht ausgeschüttet werden. Jeder Gewinn, den sie an Altaktionäre auszahlen, muss selbst erwirtschaftet werden.

STANDARD: Deutschland verbietet Dividenden, beschränkt Managergehälter. Warum sind Sie so milde?

Pröll: Bin ich keineswegs. Wir verbieten den Banken fürs Jahr 2008 Bonuszahlungen für ihre Manager. Und wenn sie für die Staatsanteile keine Dividende abliefern, auch für die Jahre danach. Was ich aber nicht will, ist eine Neiddebatte.

STANDARD: Offenbar verteilen die Banken, anders als gewünscht, nur begrenzt günstige Kredite. Müssten Sie nicht stärker eingreifen?

Pröll: Laut Vertrag müssen die Banken mehr Geld für Kredite zur Verfügung stellen, als der Staat hergibt - und das Volumen ist auch gestiegen. Wahr ist, dass die Konditionen nun allgemein strenger sind. Aber das ist auch richtig so. Eine Krise, die aus faulen Krediten entstanden ist, kann man wohl kaum mit weiteren solchen Krediten bekämpfen.

STANDARD: Die Wirtschaftsprognosen purzeln tief ins Minus. Wie schlimm wird es werden?

Pröll: Die neuen Zahlen sind erschreckend deutlich. Vieles, was wir vor Wochen für selbstverständlich hielten, stellt sich heute anders dar. Wenn die Prognosen stimmen, werden wir unseren ursprünglichen Budgetplan schwer einhalten können. Das Defizit wird 2009 deutlich höher sein als die geplanten 2,5 Prozent.

STANDARD: Und die Arbeitslosigkeit wird bei 300.000 liegen?

Pröll: Niemand kann realistisch sagen, wie tief es wirklich hinuntergeht. Wir rüsten uns für eine sehr negative Entwicklung.

STANDARD: Brauchen wir bereits ein drittes Konjunkturpaket?

Pröll: Nein. Im Moment wäre das kontraproduktiv, doch für Herbst kann ich eine Diskussion nicht ausschließen. Wir wollen es aber nicht der USA nachmachen, die aberwitzige Summen versenken und nicht an die Zeit danach denken. Deshalb gehe ich beim Budget sehr restriktiv vor, indem ich die Wünsche der Ministerien massiv zurechtgestutzt habe.

STANDARD: Hintertreiben Sie damit nicht alle Anstrengungen, die Konjunktur anzukurbeln?

Pröll: Nein, wir schnüren kein Sparpaket auf dem Rücken der Bürger und der Wirtschaft, sondern sparen bei der Verwaltung.

STANDARD: Das ist eine Illusion. Werden Ausgaben gekürzt, spürt das in der Regel die breite Masse.

Pröll: Das bestreite ich. Sie merken ja, dass in den Ministerien nun Debatten ausbrechen, um die Strukturen effizienter zu machen.

STANDARD: Sie sparen zur falschen Zeit am falschen Ort. Nichts würde so viele Arbeitsplätze schaffen wie Investitionen in die Bildung.

Pröll: Von Kürzung ist da auch keine Rede. Bei sinkenden Schülerzahlen legen wir eine Milliarde drauf. Das ist ja kein Pappenstiel.

STANDARD: Viel geht für steigende Fixkosten drauf, für eine große Reform reicht's nicht. Stattdessen wird um Kleinigkeiten gefeilscht.

Pröll: Weil diese verkürzte Akutdebatte um zwei Stunden mehr Unterricht angezettelt wurde. Visionen, die darüber hinausgehen, hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied bei den Budgetverhandlungen nicht präsentiert. Es geht nicht, mehr Geld zu verlangen, aber keine Antworten für die Zukunft zu geben. Es müssen große Würfe her, darüber will ich diskutieren. Ich bin zum Beispiel dafür, das Angebot von Ganztagschulen massiv auszubauen.

STANDARD: Aber Sie tun doch ständig so, als ginge Sie das nichts an, wenn sich Schmied mit den Lehrern herumg'frettet.

Pröll: Jeder hat hier seinen oder ihren Job. Um mich kümmert sich ja auch niemand, wenn ich mich wegen des Budgets mit allen Ministern herumg'fretten muss. Diese Eigenständigkeit erwarte ich mir auch von den Kollegen. Dass gerade eine Sozialdemokratin Probleme hat, mit Arbeitnehmern vernünftig zu reden, finde ich seltsam.

STANDARD: Ex-Innenminister Ernst Strasser hat mehr Erfahrung dabei, Grenzen zu schließen, statt zu überschreiten. Warum ist er Ihr Spitzenkandidat für die EU-Wahl?

Pröll: Er hat positive Erfahrungen in der EU gesammelt, kennt viele Menschen, die in Europa Verantwortung tragen. Ernst Strasser weiß, wie man österreichische Interessen in Brüssel durchsetzt.

STANDARD: Als ging's in der Europapolitik nur darum.

Pröll: Tut es auch nicht. Während die anderen den europäischen Weg innerlich ablehnen, will die ÖVP Europa positiv und konstruktiv weiterentwickeln - aber auch mit österreichischer Handschrift.

STANDARD: Strasser kommt aus der Pröll'schen ÖVP Niederösterreichs. Hat Ihr Onkel Erwin ihn aufgestellt?

Pröll: Ich habe den Landeshauptmann am Tag von Strassers Nominierung erstmals informiert. Vergessen Sie Ihre Vorurteile! (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 28./29. März 2009)