Wien - Vor zehn Jahren war das Europäische Gehörlosentheaterfestival in Österreich noch ein "Who-is-who" der internationalen Szene. Mittlerweile ist infolge vor allem amerikanischer Pionierarbeit - etwa durch das National Theatre of the Deaf oder die Gallaudet-University in Washington D.C. (die einzige Universität für Gehörlose weltweit) - auch hier ein Theaternetzwerk gediehen, das hochqualitativ arbeitet und weitgehend "Barrieren abbauen konnte", so Festivalleiter Herbert Gantschacher.

Mit landesweiten Vorstellungen (auch Filmen) feiert das von "Arbos - Gesellschaft für Musik und Theater" ausgerichtete Gehörlosentheaterfestival sein zehnjähriges Bestehen in Österreich. Eine wachsende Rolle in der Vernetzung und Zusammenarbeit der Künstler spielt dabei das Internet, das "die Kommunikation für Gehörlose rasant verändert hat", so Koleiter Horst Dittrich, gehörlos. Das beweist nicht zuletzt die Besucherfrequenz bei dem auf www.arbos.at eingerichteten Web-TV. Der Erfolg misst sich auch an den internationalen Kooperationen, u.a. mit dem Washingtoner Theater "Quest: arts for everyone" , das derzeit eine Arbos-Produktion ("I Carry The Flag!") im Programm führt.

Für das Jubiläumsfestival arbeitet Arbos mit Gehörlosentheatern aus Polen, Tschechien, Ungarn und Chile zusammen. Und das visuelle Theater "Die Kunst des Krieges" führt den aus Singapur stammenden gehörlosen Schauspieler Ramesh Meyyappan nach Österreich.2007 wurde er in seiner Heimat zum "Schauspieler des Jahres" gekürt - ein Zeichen von Gleichberechtigung, von der das europäische "Sprech-" theater noch weit entfernt ist.

Die diesjährige Eigenproduktion ist ein dokumentarisches Theater zum Briefwechsel zwischen dem Philosophen Wilhelm Jerusalem und der taubblinden Schriftstellerin Helen Keller; es belebt einen bildungspolitischen Diskurs wieder, der immer noch von vielen Missverständnissen getragen wird.
Gehörlose haben eine eigene Sprache. Dazu Keller an Jerusalem anno 1905: "Oh spüren Sie nicht unsere Beschränkungen, denn wir machen Gebrauch von ihnen." Und Gehörlose hören anders: Wenn Horst Dittrich beim Autofahren Jazz hören will, dann dreht er laut auf, um den Rhythmus zu spüren. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 28./29.03.2009)

Bis 4. April