Steffen Siegel, "Tabula, Figuren der Ordnung um 1600". € 39,80 / 213 Seiten. Akademie Verlag, Berlin, 2009

Foto: Akademie Verlag

Gewaltige Bibliotheken und Enzyklopädien der frühen Neuzeit zeugen vom Drang der Gelehrten, Wissen anzuhäufen. Und je größer die Sammlungen, desto größer die Notwendigkeit, sie durch Ordnung zu erschließen und dadurch erst zugänglich zu machen. Das wurde nicht nur in Form von Texten versucht, sondern auch mit Illustrationen, bildlichen Allegorien und Schautafeln, wie es etwa die Baumdiagramme sind, die die meisten von uns schon irgendwann einmal gesehen haben. Der deutsche Kulturwissenschafter Steffen Siegel analysiert anhand einer Fülle von Illustrationen, wie Ordnungen des Wissens mit verschiedenen Ordnungen der Sichtbarmachung zusammenspielen, und dies vor allem an einem der interessantesten Dokumente im Dienst der Wissensgeschichte, dem Tafelwerk "Tableaux" des Franzosen Christophe de Savigny, das nach einem Exemplar in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zum ersten Mal seit seiner Publikation im Jahre 1587 vollständig und in Farbe wiedergegeben wird.

Christophe de Savigny war kein Gelehrter von Profession. Um 1530 in den Ardennen geboren, genoss er zwar die übliche humanistische Ausbildung, so auch in einigen Sprachen, scheint aber eher für das Leben eines Landadeligen bestimmt gewesen zu sein. Als "gentil-homme de grand scavoir & vertu" kam er an den Hof Ludovico Gonzagas, der als Herzog von Nevers herrschte und Savigny als Gesprächspartner schätzte. Ihm sind die "Tableaux" gewidmet.

Sie waren das einzige Werk Savignys, das eine Drucklegung erlebte, und insofern ein Erfolg, als sich eine erweiterte Neuauflage und detaillierte Nachahmungen einstellten. Die spärliche Rezeption dürfte in der Höhe der Auflagen begründet sein - beide existieren heute weltweit in kaum zwei Dutzend Exemplaren.

Siegel bietet nicht nur die 39 Tafeln, auf denen nach dem Titelblatt und den Widmungsseiten in alternierender Abfolge von Text und Diagrammtafeln die einzelnen Wissensgebiete zuerst enzyklopädisch zusammengefasst und dann einzeln abgehandelt werden. Er befasst sich auch detailliert mit den ideengeschichtlichen Voraussetzungen von Wissensordnungen, frühen Versuchen, mit der "Fülle der Bücher" fertigzuwerden, ebenso wie mit den Lektüre-, Aufzeichnungs- und Memorierungstechniken, mit denen man der gewaltigen Expansion von Texten in der frühen Neuzeit entgegenzutreten versuchte. Ferner mit den Strategien der Visualisierung, die es ermöglichen sollten, jene schon damals als erdrückend empfundene Menge an Wissen - nicht bloßer Information - von jenen Bäumen, an deren Ästen man sie zu ordnen versuchte, auch pflücken zu können. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29. 3. 2009)