Außerhalb Wiens fehlen Plätze für die Nachmittagsbetreuung von Schüler. Klare Regeln fehlen, über das Niceau der Aufsicht entscheidet vor allem das Engagement der Betreuer

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Wien - Nachmittagsbetreuung für Schüler bis 14 Jahre ist in Österreich noch immer die Ausnahme. Die Quote beträgt derzeit 20 Prozent, das bedeutet: Von 694.729 Schülern (bis Ende des 14. Lebensjahres) sind 139.974 für einen Hort oder eine schulische Nachmittagsbetreuung angemeldet. Im Zuge des Streits um eine erhöhte Lehrverpflichtung hat die Lehrergewerkschaft sogar vorgeschlagen, den Ausbau der Tagesbetreuung auszusetzen. Seit dem Schuljahr 2006/07 müssen die Schulen eine ganztägige Betreuung verpflichtend anbieten, wenn mindestens 15 Kinder diese benötigen. Das hat zumindest dazu geführt, dass die Zahl der beaufsichtigten Kinder seither von 69.180 auf 91.381 gestiegen ist.

Ob die Schüler in der Nachmittagbetreuung wirklich gefördert werden, hängt jedoch stark vom Engagement der Betreuer und Lehrer ab. "Wenn meine Tochter, die in die zweite Klasse Gymnasium geht, aus der Schule kommt, sind die Hausaufgaben meist nicht erledigt" , erzählt eine betroffene Mutter im Gespräch mit dem Standard. Die Kinder würden lediglich beaufsichtigt. Ganz anders sei es bei ihrem Sohn, der in einer anderen Wiener AHS die dritte Klasse besucht. "Da gibt es eine Mathematiklehrerin, die am Nachmittag echten Förderunterricht macht."

Zulauf an privaten Schulen

Der Vorsitzende des Verbands der Elternvereine an öffentlichen Schulen, Gerald Netzl, räumt ein, dass es bei der Qualität der Betreuung am Nachmittag große Unterschiede gibt: "Ballungszentren tun sich bei der Organisation natürlich leichter als kleine Gemeinden." Der bedarfsgerechte Ausbau von ganztägigen Schul- und Betreuungsformen sei unbedingt notwendig. Dass in den Städten immer mehr Eltern ihre Kinder in Privatschulen geben, liege nicht zuletzt an dem dortigen Nachmittags- und Freizeitangebot, meint Netzl.

Nur eine Ausweitung des Angebotes gesetzlich festzulegen reicht offenbar nicht aus, um die Entwicklung zu einer qualitativen Ganztagesbetreuung zu forcieren. Im kommenden Schuljahr startet das Unterrichtsministerium deshalb österreichweit an 200 Schulen unterschiedlichster Schultypen das Pilotprojekt "Tagesbetreuung neu" . Lehrer sollen künftig die Kinder nicht mehr bloß beaufsichtigen, sondern "fördernde Tagesbetreuung" bieten. Statt der bisherigen fünf Wochenstunden, die der Bund für Nachmittagsbetreuung zur Verfügung gestellt hat, werden es künftig neun Stunden sein. Außerdem sollen diese Nachmittagsstunden den Pädagogen nicht mehr nur "halbwertig" berechnet werden - sprich: eine Stunde nicht mehr zu 50 Prozent abgegolten, sondern voll bezahlt werden -, wie ein Sprecher von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SP) erklärt.

Wien als Platzhirsch

In Wien bieten laut Stadtschulrat alle AHS und Mittelschulen bereits Betreuung am Nachmittag an, genauso auch in Graz und Linz. Die monatlichen Kosten für eine Fünf-Tage-Woche: 88 Euro, dazu kommt noch der Essensbeitrag, der von Schule zu Schule variiert. Mehr als 50 Prozent der Wiener Volksschüler werden am Nachmittag in den Schulen oder in städtischen Horten betreut. Von den 94 Wiener Hauptschulen werden vier ganztägig geführt, 34 sind "offene Hauptschulen" (vormittags Unterricht, nachmittags Hausaufgabenbetreuung). 31 Prozent der Hauptschüler sind in der Nachmittagsbetreuung. Für einen der 11.000 Hortplätze der Stadt müssen Eltern, die Vollzahler sind, im Monat 148 Euro bezahlen, dazu kommen noch 57 Euro Essensgeld.

Im Bundesländervergleich hat Wien mit knapp einem Drittel der österreichischen Horte (455 von 1168) das beste Angebot. In der Steiermark hingegen gibt es laut Landesregierung nur 63 Horte mit 2662 Schülern. Doch nicht nur fehlende Nachmittagsplätze sind ein Problem. Ein Großteil der Schulen ist lediglich für einen Halbtagesbetrieb errichtet worden. Es kann daher sein, dass die Kinder auch am Nachmittag in den Klassenzimmern sitzen. (Bettina Fernsebner-Kokert, Kerstin Scheller/ DER STANDARD-Printausgabe, 28./29. März 2009)