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Hier kommt eine Nachricht vom "Abfallhaufen der Geschichte" - zumindest wenn man Peter A. Bruck in seinem Kommentar im Standard vom vom 25. März 2009 folgt. Auf diesem wähnt er nämlich all jene, die der Einführung von E-Voting skeptisch gegenüberstehen. Warum, so fragt Bruck, soll man denn nicht zum Wählen die Technologie benützen, mit der wir auch Bankgeschäfte erledigen, Briefe versenden etc.? Die Frage wird auch von anderen gestellt, ich will die Antwort nicht verweigern.

Zunächst ist für eine Demokratie das geheime Wahlrecht von zentraler Bedeutung. Geheim heißt, dass der Staat zu garantieren hat, dass das Wahlverhalten des Bürgers nicht nachvollzogen werden kann. Die politische Entscheidung des Wählers soll unter keinen Umständen und von niemandem sichtbar sein. E-Voting kann dies derzeit nicht garantieren, Missbräuche sind nicht ausschließbar. Dies gilt selbstverständlich auch für die derzeitige Form der Briefwahl. Bei dieser hat der Staat seine Pflicht, für ein geheimes Wahlrecht Sorge zu tragen, auf den Wähler abgewälzt. Das ist auch der Grund, warum man diese Briefwahl durch Verfassungsrecht geschaffen hat; ein demokratiepolitisch verhängnisvoller Fehler. Ähnliche Bedenken bestehen gegen E-Voting. Wer E-Voting nützt, muss sich dem System zu erkennen geben und wer das System beherrscht, kann es öffnen und missbrauchen. Die Erfahrung zeigt, dass alles, was missbraucht werden kann, auch missbraucht wird. Vielleicht nicht heute, aber irgendwann sicher.

Manipuliert werden kann auch das Wahlergebnis. Wer das System beherrscht, kann in dieses eingreifen und wer dies tut, kann relativ einfach erhebliche Veränderungen bewirken - und zwar ohne dass es nachvollziehbar ist. Die Kontrolle und Nachprüfung von Wahlergebnissen ist nur dem möglich, der das System kennt und damit umgehen kann und das sind naheliegenderweise nur jene wenigen Spezialisten, die das Programm hergestellt haben und mit dessen Durchführung vertraut sind. Die derzeit bestehende "Papierwahl" ist kaum manipulierbar und Missbräuche sind zwar nicht völlig zu verhindern, werden aber praktisch kaum bedeutende Auswirkungen haben können. Die Kontrolle von Wahlverfahren durch den Verfassungsgerichtshof ist ausreichend sichergestellt und effektiv.

Wer derzeit lieber auf Papier als auf Computer baut, ist kein Technikfeind oder Romantiker sondern ein Mensch, der um den Wert des geheimen Wahlrechts Bescheid weiß und der dem Wähler die Sicherheit geben will, dass ihm seine Wahlentscheidung keine Nachteile bringt. Der auch weiß, dass ein Wahlrecht nicht nur sicherstellen muss, dass der Wählerwille korrekt ermittelt wird, sondern dass es auch ganz wichtig ist, dass die Allgemeinheit darauf vertraut, dass Wahlergebnisse ohne Verfälschung zustande kommen. Das bestehende Wahlrecht gewährleistet dies; ein Verdacht, Wahlresultate könnten manipulierbar sein, wird praktisch nie laut. Ein solches Wahlrecht ist ein wichtiger Stabilisator in politisch unruhigen Zeiten und soll nicht leichtfertig aufgegeben werden.

Wenn die E-Voting-Befürworter die Hoffnung einer höheren Wahlbeteiligung hegen, so muss man dazu sagen, dass sie am falschen Punkt ansetzen. Wenn Wahlberechtigte nicht wählen, so ist der entscheidende Grund wohl darin gelegen, dass die Betreffenden die Bedeutung ihrer Wahl gering schätzen. Dem sollte durch eine entsprechende Politik begegnet werden; statt dem Wähler mit dem Laptop nachzulaufen, sollte man vielleicht daran denken, dem Wahlvolk klare politische Zielsetzungen zur Auswahl vorzulegen, und ihm nicht nachlaufen sondern vorangehen.

Den Wahlvorgang schließlich mit Banküberweisungen und Briefe schreiben gleichzusetzen, ist ein verheerendes politisches Signal. Das Wahlrecht ist das wichtigste politische Recht des Bürgers; es zwischen Banküberweisungen und E-Mail-Verfassen zu ermöglichen, entkleidet dieses Recht seiner symbolischen Kraft und ist der beste Weg, langfristig das Interesse an Wahlen weiter zu verringern. (Heinz Mayer/ DER STANDARD-Printausgabe, 28./29. März 2009)