Die ungarischen Liberalen nannten Wirtschaftsminister Gordon Bajnai einen Gyurcsány-Klon. Jetzt stimmten sie zu, dass der Parteilose Premier in Budapest wird. Böse Zungen sprechen von einem Strohmann für ein Jahr.
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Nach achttägiger Agonie hat sich die ungarische Quasi-Koalition aus Sozialisten (MSZP) und Liberalen (SZDSZ) auf die Nachfolge für den amtsmüden sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány geeinigt. Wirtschaftsminister Gordon Bajnai soll das Leben der vom links-liberalen Lager reanimierten Regierung um ein Jahr verlängern, bis zu den nächsten regulären Parlamentswahlen im Frühjahr 2010. Das Gespenst vorgezogener Neuwahlen nach dem vor einer Woche angekündigten Rücktritt des gescheiterten Gyurcsány ist für die beiden vor einem Jahr im Streit um die Reformen auseinandergegangenen Zwangskoalitionäre damit vorerst gebannt.
Die Liberalen taten sich schwer, Bajnai, den sie selbst noch vor einer Woche als "Gyurcsány-Klon" bezeichnet hatten, zu akzeptieren. So rangen sie sich erst in der Nacht zum Montag dazu durch, der Kandidatur des MSZP-nahen, parteilosen Ex-Geschäftsmanns Bajnai die Zustimmung zu erteilen. Dennoch blamierten sie sich mehrfach, indem sie von ihrer Forderung nach einem wirklich gewichtigen Quer- oder Wiedereinsteiger wie dem Ex-Finanzminister Lajos Bokros abwichen und die selbstgesetzten Schlussfristen für den Handel mit den Sozialisten ignorierten. Allein, auch sie schreckte am Ende die Aussicht auf Neuwahlen mehr als die mutwillige Selbstzerstörung des letzten Restes ihres Ansehens.
Die Suche nach dem "Strohmann für ein Jahr" - so der scharfzüngige Ex-Finanzminister László Békesi - entgleiste letzte Woche in eine von spritzigen Internet-Portalen live übertragene Burleske. Im Rahmen dieses einzigartigen "politischen Castings" mit "Big-Brother" -Flair wurden die Namen ernsthafter Ökonomen verbrannt, die ahnungsloser Leichtgewichte und selbsternannter Wichtigtuer dem Gespött der Öffentlichkeit preisgegeben. Am Ende demontierten sich MSZP und SZDSZ selbst.
Bajnai könnte nun am 14. April über ein konstruktives Misstrauensvotum ins höchste Regierungsamt gewählt werden, gleichzeitig mit Gyurcsánys formeller Abwahl. Am Montag erklärte er in einer ersten Stellungnahme, sein Programm werde "wehtun und von Vielen Opfer und Verzicht verlangen" . In seiner Schublade liegt ein rigoroses Sparprogramm, das das Budget um 1,6 Milliarden Euro entlasten soll. Ausgearbeitet hat es das Finanzministerium - zu einem Zeitpunkt, als es die Sozialisten nicht unterstützen wollten. Das war freilich vor Gyurcsány Rücktrittsankündigung. (Gregor Mayer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2009)