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Das Ende einer Ära: Knapp zehn Jahre stand Hartmut Mehdorn an der Spitze der Deutschen Bahn. Am Montag trat er zurück.

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Die Datenaffären haben den Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, nun doch den Job gekostet. Am Montag trat er zurück, was die deutsche Regierung sehr erleichtert. Sie sucht nun hektisch einen Nachfolger. 

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Berlin - Nein, ganz so sang- und klanglos, wie es sich so mancher Politiker wünscht, will Hartmut Mehdorn an diesem Montag dann doch nicht entschwinden. Die Journalisten, die sich im Berliner Bahn-Tower versammelt haben, müssen sich gedulden. Zunächst stehen bei der Bilanzpressekonferenz Zahlen aus dem Jahr 2008 auf dem Programm.

Diese sind nicht so schlecht. Zwar verfehlte die Bahn ihre eigenen Ziele, schrieb 2008 aber schwarze Zahlen. Der Umsatz stieg um 6,8 Prozent auf 33,5 Milliarden Euro, der Gewinn um 4,8 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Allerdings brach die Sparte Güterverkehr massiv ein, die Verluste konnten nur durch Zuwächse beim Personenverkehr ausgeglichen werden. "Uns bläst in diesen Tagen ein eisiger Wind entgegen, von dem wir nicht wissen, ob er sich nicht zu einem Orkan auswächst", sagt Mehdorn, und das ist dann das Stichwort für seine eigene Zukunft.

Nach Vorlage der Bilanz verabschiedet sich Mehdorn nach zehn Jahren an der Spitze der Bahn. Er sei selbst ja ein "harter Brocken", aber die Kampagne, die gerade gegen ihn geführt werde, habe "das Maß der Erträglichkeit überstiegen", sagt er mit nicht ganz fester Stimme. Zwar habe er sich selbst nichts vorzuwerfen, aber die "zerstörerischen Debatten" schadeten dem Unternehmen. Einen Datenskandal sieht Mehdorn nicht, bloß "Vorverurteilungen, Verdächtigungen und Spekulationen".

Mit dieser Meinung war der Bahn-Chef, dessen Vertrag regulär erst 2011 endet, in den vergangenen Tagen jedoch recht alleine dagestanden. Nachdem nicht nur die Opposition und alle drei Bahngewerkschaften Mehdorns Rücktritt gefordert hatten, war nach Bekanntwerden der neuesten Affäre auch der Rückhalt in der deutschen Bundesregierung binnen Stunden gebröckelt.

Denn nun sind Hinweise aufgetaucht, wonach die Konzernspitze sehr wohl informiert war, dass zwischen 2005 und 2008 E-Mails aller Mitarbeiter ausgespäht worden sind - um (wie es heißt) Korruption auf die Spur zu kommen. Eine Untersuchung läuft noch. Wegen einer anderen Datenaffäre war Mehdorn ja schon seit Wochen unter Druck gewesen: Im Februar hatte sich herausgestellt, dass die Bahn Daten von Mitarbeiten (Kontodaten, Telefonnummern) abgleichen hatte lassen.

"Respekt" der Regierung

Die Bahn-Gewerkschaften und die Bundesregierung zollen Mehdorn für seinen Schritt "Respekt". "Zügig" soll nun ein Nachfolger an die Spitze von Deutschlands letztem großen Unternehmen im Staatsbesitz gehievt werden, wobei mehrere Namen im Gespräch sind. Als Favorit von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt Airbus-Chef Thomas Enders. Eine Bestätigung für dieses Gerücht gibt es jedoch noch nicht.

Chancen werden auch Werner Müller nachgesagt. Der ehemalige parteilose Wirtschaftsminister (unter Gerhard Schröder) ist derzeit Chef des Aufsichtsrates der Bahn und kennt das Unternehmen mit seinen 240.000 Mitarbeitern gut. Ebenfalls in der engeren Auswahl: Wilhelm Bender, der scheidende Chef des Flughafens Frankfurt am Main. Er ist zwar schon 64 Jahre alt, hat aber ausgewiesene Logistik-Kenntnisse. Und schließlich ist da auch noch der Schweizer Andreas Meyer, der die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) leitet. Er hat seine Karriere bei der Deutschen Bahn begonnen. 

Nach dem angekündigten Rücktritt  von Mehdorn wird der Bahnkonzern wohl auch seinen Finanzvorstand Diethelm Sack verlieren. Wie das "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe) aus dem Umfeld der Deutschen Bahn und aus Bankenkreisen erfuhr, gilt es als sicher, dass Sack dem Bahn-Konzern den Rücken kehren wird. (Birgit Baumann, Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.03.2009)