Der Bahnhof Timişoara Nord heute...

Foto: derStandard.at/Putschögl

...und vor über hundert Jahren.

Der Bega-Kanal, ein weiterer wichtiger Verkehrsweg für die Metropole des Banat.

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Eine elektrische Straßenbahn gibt es in Temeswar seit 1899.

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Die Inschrift an dem Haus, in dem Pastor László Tökés wohnte.

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Simona Mocioalca führt Besucher durch das Revolutions-Museum.

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Ein Jugendstil-Bau am Ende der König-Karl-Straße.

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Die römisch-katholische Pfarrkirche in Iosefin.

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Ioan Hategan in seinem Büro. Der Historiker ist ein Experte für Temeswar und das Banat.

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Das Haus, in dem sich laut Hategan 1905 die Temeswarer Fünf-Uhr-Tee-Gesellschaft konstituierte.

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Iosefin ist ein Stadtteil von Timişoara. Hier begann im Dezember 1989 die rumänische Revolution. Heute ist Iosefin Partnerbezirk der biederen Wiener Josefstadt. Das unter einen Hut zu kriegen, ist nicht leicht. Schon gar nicht bei einem nur zweitägigen Besuch. Martin Putschögl hat es trotzdem versucht. Und auch dem Budapester Stadtteil Józsefváros noch einen Besuch abgestattet.

Nach Iosefin will er, der Herr Reporter. Soso. Roxana schaut ein bisschen skeptisch, beeilt sich aber zu erwähnen, dass es dort auch schöne Plätzchen gebe. Man müsse halt ein bisschen die Augen offen halten.

Wir waren ins Gespräch gekommen, weil sie in der Dunkelheit des Bahnhofs von Arad dieselbe Frage hatte wie ich: Ob der ausladend unbeleuchtete Zug auf Bahnsteig 2 wohl nach Timişoara fahren würde? Wenige Sekunden danach drehte der Schaffner wortlos das Licht an, machte die in ihrem Inneren komplett mit Holz verkleidete Garnitur fahrtüchtig, pünktlich ging es los.

Roxana ist auf dem Heimweg. Nach Temeswar, wie die westrumänische Großstadt auf Deutsch genannt wird, wo sie aufgewachsen ist und heute als Ärztin arbeitet. Hier funktioniere leider alles noch nicht so wie in Brüssel, wo sie gerade zwei Wochen lang eine Weiterbildung besucht habe, klagt sie. Die Arbeit in einem westlichen Krankenhaus sei mit jener in einem rumänischen Spital überhaupt nicht zu vergleichen. Dort sei alles selbstverständlich, hier jede teure Untersuchung Verhandlungssache. Dass Rumänien nun in der EU ist, hält sie aber für enorm wichtig für das Land, das sich vor noch nicht ganz zwanzig Jahren von der Diktatur des Nicolae Ceauşescu befreit hat.

Der Anfang vom Ende der Ära Ceauşescu nahm in Temeswar seinen Lauf. Hier begann die Revolution, die das kommunistische Regime binnen weniger Tage zwar mit blutroter Farbe, aber unauslöschlich in die Geschichtsbücher einschreiben sollte. Am 25. Dezember 1989 wurden Ceauşescu und seine Frau Elena von einem Militärgericht zum Tod verurteilt und wenig später erschossen.

In nur zehn Tagen war zur geglückten Revolution gewachsen, was mit Solidaritätsbekundungen für den ungarisch-protestantischen Priester László Tökés begonnen hatte. Tökés widersetzte sich Mitte 1989 dem Befehl auf Versetzung in eine Landgemeinde, wurde vom Geheimdienst Securitate daraufhin als Regimegegner verfolgt. Er predigte damals in der reformierten Kirche von Iosefin – der "Josefstadt" von Temeswar, die jetzt um dreiviertel sechs in der Früh am Bahnhof Timişoara Nord, nach Verlassen des hölzernen Waggons in Begleitung von Roxana, dunkel und kalt vor mir liegt. Man solle hier nicht zu lange bleiben, das sei kein sehr angenehmer Ort um diese Zeit, empfiehlt sie. Noch dazu, wenn man aussehe wie ein Tourist.

Sie begibt sich auf die Suche nach einem Taxifahrer, der einen "normalen" Fahrpreis verlangt. Ich beschließe, etwas Geld abzuheben, wir verabschieden uns.

Das Personal auf dem Bahnhofsvorplatz weist tatsächlich eine bemerkenswerte soziale Zusammensetzung auf, mit einem leichten Überhang zu teils Kaffee trinkenden, teils einfach nur locker herumstehenden Herren mittleren Alters. Ich trinke einen Cappuccino und werfe nochmals einen Blick auf den Stadtplan, dann steige ich in die Straßenbahnlinie 10 Richtung Zentrum ein.

Die Fahrt ist gleich eine erste Begegnung mit der Temeswarer Josefstadt, die zu dieser frühen Stunde jedoch kaum mit Leben erfüllt ist. Die Straßenbahn fährt den Bulevardul General Ion Dragalina entlang, biegt dann in den Bulevardul Regele Carol I. ein und weiter über den Boulevard des 16. Dezember 1989 zur Piata Sfanta Maria. Hier ist der Bezirk Iosefin auch fast schon wieder zu Ende, er ist nicht allzu groß. Wenngleich er heute doch etwas mehr Fläche aufweist als zur Zeit der Regentschaft des Kaisers Josef II. am Wiener Hof, den zwei seiner vielen Reisen hierher in die Region Banat geführt hatten, 1767/68 und 1773. Ihm zu Ehren wurde dieser außerhalb der Stadtmauern gelegene, aufstrebende Stadtteil Iosefin benannt. Heute bildet der Bezirk gemeinsam mit Józsefváros in Budapest und der Josefstadt in Wien den "Bund der Josefstädte", in dessen Rahmen gegenseitige Besuche samt kulturellem Austausch stattfinden.

Auch mit Ungarn verbindet Temeswar aber noch viel mehr als diese Bezirks-Partnerschaft. Im 14. Jahrhundert war die Stadt Residenz der ungarischen Könige. Im 16. Jahrhundert wurde sie von den Osmanen besetzt, 1716 von Prinz Eugen von Savoyen für die Habsburger erobert. 1867, als der Doppeladler den Boden der Geschichte betrat, kam sie wieder unter ungarische Herrschaft. 1920 fiel sie gemäß dem Friedensvertrag von Trianon der rumänischen Monarchie zu. Mit der Machtergreifung der Kommunisten 1947 begann schließlich eines der dunkelsten Kapitel. Ab 1965, als Nicolae Ceauşescu Staatschef wurde, das dunkelste.

Eine, die das trotz ihrer recht jungen Jahre glaubhaft versichern kann, ist Simona Mocioalca. Die studierte Physikerin und Anglistin führt Besucher durch das Revolutions-Museum in der Innenstadt. Es ist zunächst gar nicht so leicht zu finden, weil es im Stadtplan ganz offensichtlich falsch eingezeichnet ist; an der Ecke, wo es einen erwarten sollte, gibt es stattdessen Schuhe im Sonderangebot. Die junge Schuhverkäuferin ist erst mal ratlos, begleitet mich dann ein Stückchen auf die Straße hinaus, um eine ältere Dame nach dem Weg zum Museum zu fragen. Diese hat einen Tipp, er stellt sich wenig später als richtig heraus.

Das Museum ist privat geführt, somit auf Spenden angewiesen und in einem sehr alten, mehrstöckigen Haus mit Innenhof in der Strada Emanoil Ungureanu untergebracht. Die Ausstellung besteht im Wesentlichen aus einer Halle mit Devotionalien einiger Widerstandskämpfer und hunderten Fotos an den Wänden, aufgenommen zwischen 15. und 25. Dezember 1989. In einem kleineren Raum sind außerdem Miniaturen jener Skulpturen zu sehen, die nach der geglückten Revolution unter dem Banner der Freiheit in ganz Temeswar aufgestellt wurden.

"Ich selbst war nicht mutig genug", sagt Simona, als sie mich durch das Museum führt. Sie habe sich nicht getraut, auf die Straße zu gehen, als sie am 20. Dezember als 20-Jährige zuhause die ersten Schüsse des Militärs auf die Demonstranten hörte. Etliche Todesopfer gab es in diesen Tagen in Timişoara zu beklagen, die Leichen der meisten von ihnen wurden aber nie gefunden. "Sie wollten, dass wir glaubten, sie hätten sich ins Ausland abgesetzt", erzählt sie über die letzten, von buchstäblich mordsmäßiger Berechnung getriebenen Befehle des Regimes. Das alles sei im Übrigen von Elena ausgegangen, der Gattin des Despoten, die im Palast der Ceauşescus stets die Hosen angehabt haben soll.

Simona zeigt auch einen Raum her, in dem Zeichnungen von Schulkindern ausgestellt sind. Keines von ihnen habe die Diktatur noch erlebt, die Blätter seien noch nicht so alt, erklärt sie. Eines fällt daran aber sofort auf: Fast alle Kinder haben in ihren durchaus sehr fantasievollen Schilderungen der Revolution, die auf Erzählungen von Lehrern und Verwandten fußten, einer Kirche großen Raum gegeben.

Im Erdgeschoß des Museums findet sich dann auch eine Art ökumenischer Gedenkraum für die Opfer der Straßenkämpfe. Neunzig Namen sind auf einer Tafel eingraviert.


Der von László Tökés, jenes Predigers, mit dem alles begann, ist nicht darunter – wie man vielleicht vermutet hätte. Er erfreut sich bester Gesundheit und ist heute Abgeordneter zum Europäischen Parlament in der Fraktion der Grünen, außerdem Bischof der Ungarischen Reformierten Kirche und Präsident des Ungarischen Nationalrates in Siebenbürgen.

Vor zwanzig Jahren lebte Tökés an der Schwelle zur Temeswarer Josefstadt, in einem Haus am heutigen "Boulevard des 16. Dezember 1989". Eine Gedenktafel erinnert daran, dass hier "die Revolution begann, die der Diktatur ein Ende setzte". Tökés' sollte zwangsweise umgesiedelt werden, rasch formierte sich dagegen in der Bevölkerung Widerstand: Die Unterstützer des Paters hielten Mahnwache vor seinem Haus, ließen Ceauşescus Schergen nicht gewähren.

Heute läuft an dem unscheinbaren Haus leicht vorbei, wer nicht genau weiß, wo es sich befindet. In Begleitung von Ioan Hategan passiert das aber garantiert niemandem. Der 60-Jährige ist Historiker mit besonderem Interesse am Banat, jenem Landstrich, dessen kulturelles Zentrum Temeswar auch heute noch ist. Und er ist ein wahrer Glücksfall für jeden, der sich Temeswar näher ansehen will: Schon als wir das Hotel verlassen, beginnt er mit seinen Ausführungen und Anmerkungen, von jedem Haus scheint er die Geschichte oder zumindest ein Geschichtchen zu kennen.

"160 Jahre lang war das Banat türkische Provinz", erklärt er zunächst noch die großen geschichtlichen Zusammenhänge. "Heute liegen rund zwei Drittel des Banats in Rumänien, ein Drittel in Serbien, und ein winziges Stück in Ungarn", doziert er, während wir den Boulevard entlanggehen, der den Bezirk Iosefin vom Bezirk Elizabetin (Elisabethstadt) trennt.

Nach dem erfolgreichen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen, der die Türken aus Temeswar vertrieb, ist heute unter anderem eine Straße in der Innenstadt benannt – und auch das Hotel Savoy am Splaiul Tudor Vladimirescu, in dem ich für den zweiten Tag meines Besuches um zehn Uhr das Treffen mit Hategan vereinbart hatte. Schon um dreiviertel zehn sitzt er in der Lobby. Ein freundlicher Händedruck, und sofort überhäuft er mich mit Info-Materialien zum Banat, zu Temeswar und zum Bezirk Iosefin. Überreicht eine CD mit alten Photographien und Ansichtskarten, die einen Eindruck geben von dem imperialen Chic, der bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts das Bild der Stadt prägte.

"Temeswar war früher einmal das 'kleine Wien'", sagt der drahtige Professor mit der schwarzen Filzkappe, als wir wenig später den Bezirk Josefstadt näher erkunden. "Mit Betonung auf 'war'", fügt er sofort hinzu.

Mehr als zweihundert Jahre lang war die Metropole des Banat nämlich tatsächlich in vielerlei Hinsicht Trend setzend: Schon 1751 und damit rund ein Vierteljahrhundert vor der Reichs- und Residenzstadt Wien wurde hier das erste städtische Krankenhaus eröffnet. Die Stadt ist außerdem bekannt dafür, dass sie 1884 die erste elektrische Straßenbeleuchtung der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie hatte. Ab 1869 brachte eine Pferdestraßenbahn Bewohner und Besucher Temeswars vom Josefstädter Nordbahnhof in die Altstadt und wieder retour, 1899 wurde sie elektrifiziert. "Heute sind viele Garnituren aus Deutschland", bemerkt Hategan, als wir in den König-Karl-Boulevard einbiegen. Die Stadt unterhält mehrere Partnerschaften mit deutschen Städten, die irgendwann ihre ausgemusterten Straßenbahnwaggons der Stadt Timişoara schenkten.

Deutsch spricht der Geschichtsprofessor und passionierte Pfeifenraucher Hategan gut und, wie er extra erwähnt, auch sehr gerne. "Die Deutschen waren bis zum Zweiten Weltkrieg die größte ethnische Gruppe in Temeswar", erzählt er, der selbst schon viele Male in Wien war. Von der österreichischen Krone war eine gezielte Ansiedlung deutsch sprechender Untertanen forciert worden, sodass bei der Übernahme des Banat durch die Rumänen 1920 der Anteil der rumänischen Bevölkerung bei nur zehn Prozent lag.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam es durch staatlich gelenkten Zuzug von rumänischen Zuwanderern und durch die Auswanderung der Deutschen zu einer Mehrheit der Rumänen, in Temeswar stellt diese Gruppe heute mehr als 80 Prozent der Bevölkerung. Einige andere ethnische Gruppen sind aber weiterhin signifikant vertreten. Mehr als sieben Prozent sind etwa Ungarn, über zwei Prozent Deutsche. Auch viele Serben und Roma gibt es hier, was einen verhältnismäßig bunten Mix an Religionen mit sich bringt. Der Großteil der rumänischen Staatsbürger bekennt sich zur rumänisch-orthodoxen Kirche, es gibt in Timişoara aber in nahezu jedem Stadtviertel Kirchen und Tempel anderer Konfessionen. "Das Zusammenleben hat hier immer gut funktioniert", betont Hategan, als wir die römisch-katholische Pfarrkirche der Josefstadt besichtigen, erbaut 1754 unter Kaiserin Maria Theresia. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich das nach dem Komponisten Béla Bartók benannte ungarische Gymnasium, zum serbischen Gymnasium ist es auch nur ein Katzensprung.

Mehr als ein solcher war für die Josefstadt der Anschluss an das Bahnnetz nach Budapest und Wien in den 1850er-Jahren. Schon zuvor war Temeswar durch die Kanalisierung des Bega-Flusses ein sehr wichtiger Verkehrsknotenpunkt geworden, an dem sich mehr und mehr Fabriken ansiedelten. 1848 nahm beispielsweise die zweite Tabakmanufaktur der k.u.k.-Monarchie ihren Betrieb auf. Heute ist sie stillgelegt, "ich muss meinen Tabak jetzt woanders kaufen", lacht Hategan.

Es ist sehr laut in den Straßen Iosefins. Straßenbahngarnituren rauschen mit einem Höllenlärm vorbei, ich verstehe nicht immer alles, was Ioan mir erklären will. Viele Menschen sind auf der Straße, meist ältere Herrschaften, die offenbar einkaufen gehen oder vom Einkaufen kommen. Ein alter, kleingewachsener Mann verlässt vor uns einen Greißlerladen und schultert dabei einen riesigen Sack mit Kartoffeln.

Ioan Hategan scheint tatsächlich alles zu wissen. Die aktuelle Josefstädter Markthalle, die unter kommunistischer Herrschaft erbaut wurde und sich heute in die Häuserflucht auf der gegenüberliegenden Straßenseite einfügt, habe sich früher mitten auf dem Platz befunden. In einem Hinterhof besuchen wir ein Denkmal des Heiligen Nepomuk, das 1722 geschaffen wurde, aber ebenfalls schon einmal den Standplatz wechseln musste. In dem Gebäude an jenem Straßeneck wiederum war 1905 die erste Temeswarer Fünf-Uhr-Tee-Gesellschaft gegründet worden.

Als wir am Ende des König-Karl-Boulevards wieder Richtung Nordbahnhof abbiegen, zeigt Hategan auf die Synagoge an der gegenüberliegenden Straßenseite. In diesem Moment verlassen zwei angeheiterte alte Männer ein kleines Beisl. Der eine legt seinen Arm um die Schulter des anderen, dieser beginnt auf seinem Akkordeon zu spielen, singend torkeln sie an uns vorbei. "Dort vorne", sagt Hategan, ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, "dort vorne gibt es ein altes Eisenbahnerlokal, das heißt übersetzt 'Kommt zu uns!'"

Rufe in die Politik hat Ioan Hategan, wie er mir etwas später erzählt, stets ignoriert. Einmal wollten sie ihn zum stellvertretenden Leiter des Kulturamts machen, seine Aufgabe wäre aber bloß der eines Stimmviehs recht nahe gekommen, glaubt er. Wir haben die Josefstadt wieder verlassen und sitzen im Kellerlokal "Goldener Löwe" in der Innenstadt, Ioan bestellt beim sehr freundlichen Personal eine "Großmutters Platte" für zwei. Um die Wartezeit zu überbrücken, serviert die Kellnerin Weißbrot mit Schmalz. Wir reden über die Revolution.

Dann wird die Platte serviert. Sie enthält gegrilltes Fleisch, Senf, gegrilltes Fleisch, Kartoffeln und gegrilltes Fleisch, darunter Salatblätter. "Ich habe damals als Historiker nicht erkannt, was passiert", sagt Hategan und klingt dabei vorwurfsvoll. Das wird nichts werden, habe er bis zum 19. Dezember noch gedacht. "Am 20. Dezember dankte ich Gott, dass ich diese Revolution sehen durfte."

Zum Abschluss meines Besuchs zeigt er mir sein Büro. Es sind nur wenige Straßen, der Fußmarsch dorthin gerät allerdings zu einer vollwertigen Stadtführung. Immer wieder trifft Ioan auf Bekannte, die ihn grüßen, meist grüßt er schlicht mit "Servus!" zurück. 32 Bücher hat der Mann schon geschrieben, darunter Schulbücher für die Temeswarer Jugend, er war schon oft im Fernsehen, kennt viele Leute, und viele kennen ihn.

Unterwegs zu seinem Arbeitsplatz im "Institutul de Studii Banatice" (etwa "Institut für Studien zum Banat", Anm.) schauen wir kurz im Rathaus vorbei, er hat dort etwas zu erledigen. Er möchte, dass ich den Bürgermeister kennenlerne, doch der hat eine wichtige Sitzung mit dem Vorsitzenden der Koalitionspartei.

In diesen Momenten und durch diese kurzen Begegnungen erscheint Temeswar aber plötzlich viel kleiner und überschaubarer; als hätte es auch heute noch kaum mehr als 20.000 Einwohner, so wie in den 1850er-Jahren, und nicht 300.000, so wie heute. "Es ist eine kleine Stadt", hat aber auch Roxana gesagt, als wir uns am Vorabend unweit des Hotels Savoy zufällig nochmals begegneten.

Zurück am Bahnhof Timişoara Nord, wartet mein Zug schon auf Bahnsteig 1, ein moderner Fernreisezug. Kein Umsteigen in Arad, er fährt direkt nach Budapest, Keleti Palyaudvar, Ostbahnhof, Endstation. (Martin Putschögl, derStandard.at, 30.3.2009)