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Ronald Wittek dpa/lsw

Nie mehr Duden? Die FPÖ sieht die deutsche Sprache bedroht

Ronald Wittek dpa/lsw

Die FPÖ hat Sorgen. Löhne, Pensionen, Zuwanderer: Sorgenkinder allerorts. Ihre neueste Sorge gilt der deutschen Sprache. Die sieht der FPÖ-Abgeordnete Gerhard Kurzmann in Gefahr. "Wenn junge Menschen mit Anglizismen um sich werfen, um zu zeigen, wie gescheit sie sind, dann wollen wir das nicht", sagt Kurzmann.

Geldstrafe für Englisch

Seine Verlustangst gipfelt nun in einem parlamentarischen Antrag. Darin ruft er "zum Schutz und Erhalt der deutschen Sprache" auf. Laut dem Gesetzesantrag soll ein Beirat Sprachverstöße kontrollieren, falls nötig werden Verwaltungsstrafen verhängt. "Wenn man keine Sanktionen hat, kann man auch keinen Missbrauch abwenden", sagt Kurzmann zu derStandard.at. Handlungsbedarf sieht er vor allem in der Werbung. Gerade dort mache "die Überflutung mit Anglizismen die Sprache für ältere Menschen unverständlich".

Überbordendes Englisch - Kurzmann: "Uns stört es nur, wo es einen anderen Ausdruck auf Deutsch gibt" - soll also Geld kosten. "Ich finde das einfach lächerlich, was sich da abspielt. Im ORF die 'Primetime' und was weiß ich, wie die alle heißen, das ist ja nicht mehr auszuhalten", polterte FPÖ-Abgeordnete Heidemarie Unterreiner vorige Woche im Parlament.

"Luftsackerl statt Airbag"

Im Hohen Haus überwog freilich die Häme für den FPÖ-Vorstoß. Pommes Frites würde die FPÖ wohl "mit Bratkartoffelstäbchen übersetzen", spottete BZÖ-Mandatar Ewald Stadler, sonst für patriotische Ausritte immer zu haben. "Wie wollen Sie das Wort Airbag übersetzen? Vielleicht mit Luftsackerl", ätzte SPÖ-Abgeordnete Christine Muttonen.

Der Grüne Wolfgang Zinggl vermutet, dass der Antrag länger nicht auf die Tagesordnung kommen wird. Die Öffentlichkeit sei durch den Vorschlag eher belustigt. "Damit wird die Bevölkerung kriminalisiert, inklusive FPÖ", sagt Zinggl. Er verweist auf den "Rap" und die "Disko"-Besuche von Parteichef Heinz-Christian Strache. "In der Praxis ist das überhaupt nicht durchführbar, Sprache ist ja etwas Lebendiges", sagt Zinggl zu derStandard.at. Außerdem sieht er ideologische Motive: "Dieses Nationalbewusstsein ist schon mit einer gewissen Deutschtümelei verwandt."

"Sprachverderber" ORF

Das sehen die freiheitlichen Sprachpfleger anders. "Sprache ist ein Identitätsstifter", sagt Unterreiner zu derStandard.at. Die Bewahrung des Deutschen sei "nicht ideologisch belastet, sondern ein kulturpolitisches Anliegen", betont ihr Abgeordneten-Kollege Kurzmann. Der Steirer ist auch stellvertretender Obmann der Interessensgemeinschaft (IG) Muttersprache. Der Sprachverein unterstützt Kurzmanns politischen Vorstoß.

Es gebe "zwei große Sprachverderber: den ORF und die Werbewirtschaft", sagt der Vorsitzende der IG Muttersprache, Werner Pfannhauser, der als Universitätsprofessor ein ausgewiesener Experte ist, allerdings für Lebensmittelchemie. Die Mitglieder des Vereins schreiben Leserbriefe, manchmal gibt es auch Post an Betriebe, die allzu englisch werben. Er wolle bei den Anglizismus-Verwendern Bewusstsein wecken: "Die sind nicht alle böse, aber doch gedankenlose Menschen, die eine gewisse Kulturferne haben", sagt er.

Vorbild China

Bewusstsein schaffen will auch FPÖ-Nationalrat Kurzmann, der in seinem Antrag die "Pflege der deutschen Sprache in Fernsehen, Radio und Internet" fordert. Im Internet sei das schwierig, gibt er zu. Aber: "Die Chinesen gehen da ja auch völlig eigene Wege, man muss nicht alles von den USA übernehmen."

Peter Ernst, Philologe am Germanistik-Institut der Universität Wien, unterstellt den selbsternannten Sprachrettern gleich mehrere Denkfehler. "Sprache besteht nicht nur aus Wörtern. 'Primetime' ist ein Wort-Ersatz und deshalb noch lange nicht Englisch." Bedenken wären erst angebracht, wenn Österreicher im Familienkreis Englisch sprächen. Die FPÖ will es gar nicht erst so weit kommen lassen. "Eine emotionale Missachtung der eigenen Sprache" konstatiert FPÖ-Politikerin Unterreiner. "Jugendliche glauben, sich über englische Wörter profilieren zu müssen."

"Fremdwortrassismus"

Die Verbindung von Sprache mit vermeintlichen Charakterschwächen sei ein alter Hut, sagt Germanist Ernst: "Wo Sprachgebrauch geregelt wird, ist die Grenze zu einem totalitären Regime sehr nah. Diese Entwicklung halte ich für gefährlich und auch dumm."

Sprachschützer Pfannhauser sieht seinen Zugang aber rein pragmatisch. „Windloch" für "Fenster" habe sich eben nicht durchgesetzt, aber es spreche überhaupt nichts dagegen, "E-Post" statt "E-Mail" zu sagen. Auf seiner Homepage finden sich daher auch keine "Links", sondern lediglich "Seitenverweise". Außerdem stehe in der Verfassung die "Staatssprache Deutsch - und nicht etwa Denglisch oder Engleutsch."

Die Chancen der FPÖ auf eine Mehrheit für ihren Antrag - der neben Geldstrafen für englische Werbung auch eine Radioquote von 40 Prozent deutschsprachiger Musik vorsieht - sind ohnehin endenwollend. Bisher signalisierte keine Fraktion Zustimmung. Für Wissenschaftler Ernst verständlich, er findet den Umgang der FPÖ geradezu unehrlich. „Kuvert und Trottoir darf ich sagen, aber Cashflow und Primetime sind böse: Das würde ich als Fremdwortrassismus bezeichnen." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 31.3.2009)