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Auf der Suche nach der richtigen Synthese: Wirtschaftsvertreter sind sich uneinig über die richtige Linie in den heurigen KV-Verhandlungen.

Foto: AP/Matthias Rietschel

Wien - Eine Woche nach Start der Frühjahrslohnrunde für die mehr als 40.000 Chemie-Beschäftigten will der Fachverband Chemie die Verhandlungen auch bis Herbst unterbrechen. "Dann haben wir mehr Zeit und hoffentlich auch mehr Sicht" , begründete Fachverbandsobmann und Lenzing-Chef Peter Untersperger den späten Kurswechsel am Montag. 

Mit 3,6 bis 3,7 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung sei im Vorjahr in der chemischen Industrie "ein sehr, sehr guter Abschluss" vereinbart worden. "Jetzt noch einmal Lohnabschlüsse von deutlich über drei Prozent zu verlangen ist schon eine Chuzpe und eine Außerachtlassung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen" , sagte Untersperger am Montag bei der Präsentation der Branchenergebnisse 2008 zur Position der Gewerkschaft. Diese argumentiert mit der Kaufkraft, die gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit gestärkt gehöre. Von einer Vertagung der Verhandlungen auf Herbst hält man in der Gewerkschaft nichts.

Die Konjunkturflaute hat die chemische Industrie inzwischen voll erwischt. Im Vorjahr ist die Zahl der Mitarbeiter aufgrund des Auftragseinbruchs im zweiten Halbjahr um knapp 1000 auf rund 43.000 gesunken. Heuer werden voraussichtlich weitere 2000 Stellen wegfallen - Leiharbeiter nicht mitgerechnet. Etwa 4000 bis 5000 arbeiten bereits kurz. Der Produktionswert ist 2008 in Summe um 5,7 Prozent auf 14,1 Milliarden Euro gestiegen, dürfte heuer aber deutlich zurückgehen, ebenso die Investitionen. Einzig Pharma scheint zu florieren, auch wenn der Druck auf die Margen steigt. 

Zur Forderung der Industrie, die Lohnrunde für die 65.000 Beschäftigten in der Elektro- und Elektronikindustrie auf Herbst zu verschieben, kam von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl eine Absage: "Ich ersuche um Respekt vor der Verhandlungsautonomie der Kollektivvertragspartner. Mit Zurufen von außen tut man Kollektivvertragsverhandlungen gerade in einer schwierigen Zeit nichts Gutes." 

Für eine "kontraproduktive" und "künstliche Diskussion" hält Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner den Alarmruf der Gewerkschaft, tausende Lehrlinge stünden im Herbst wegen der Wirtschaftskrise zur Kündigung an. Kündigungen seien laut dem von den Sozialpartnern ausgearbeiteten Gesetz nur nach einem Mediationsverfahren möglich. 

Offen ist, ob und wann die geplante Stiftung für Leiharbeitskräfte kommt. Die Arbeitnehmer wollen nicht mitzahlen, am Mittwoch wird wieder verhandelt. (stro, ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.03.2009)