Angesichts des Kommentars von Thomas Mayer zum EU-Wahlkampf (der Standard, 27. 3.) packt einen die kalte Wut. Höchste Zeit, die EU vor ihren Befürworten zu schützen, wenn einem die europäische Einigung ein Anliegen ist. 

Mayer schreibt, man solle aufhören so zu tun, als ob man für oder gegen die EU sein könne. Wieso? Ist sie etwa von Gottes Gnaden? Natürlich kann man für oder gegen dieses Gebilde sein. Man kann sogar als glühender Anhänger der europäischen Einigung gegen die Umsetzung in Form dieser EU sein, weil man die neoliberale Ausrichtung ablehnt. Was also soll dieses Denkverbot? 

Eben noch hat man uns erklärt, zur schrankenlosen Globalisierung der Finanzmärkte gäbe es keine Alternative. Die Folgen dieses Denkverbotes erleben wir soeben in Form der größten Wirtschaftskrise des modernen Kapitalismus. Gestern noch galt jeder, der beim metaphysisch anmutenden Finanzringelspiel nicht begeistert mitzockte, als Vollidiot, der selbst schuld sei, wenn er vom großen Reichtum nicht einmal gestreift wurde. 

Seit Jahren versuchen manche EU-Fans, jede Form von Kritik als fundamentale Ablehnung eines geeinten Europas zu diffamieren. Das Wesen der Demokratie besteht aber auch darin, in Alternativen zu denken. Mayers Vorschlag ist - jetzt ergreifen auch wir einmal den großen Hammer - zum einen undemokratisch. Und zum anderen ist er, höflich formuliert, ´nicht sehr schlau. Denn in der Beantwortung der Frage, was die Abschaffung der EU bedeutet, könnte immerhin auch die Chance liegen, eine vernünftige Antwort für jene zu finden, die den Sinn der EU nicht sehen.

Man begehe nicht den Fehler, aus der momentan ansteigenden Zustimmung zur EU gleich einen grundlegenden Sinneswandel herauszulesen. Erstens sind solche Massenstimmungen fragil und wandeln sich leicht. Dass die Schäfchen enger zusammenrücken, wenn die Wölfe die Herde umrunden, ist normal und erinnert an den vermeintlich todkranken Patienten, der aus Angst nach dem Pfarrer ruft und schnell noch an den lieben Gott glaubt. Nutzt's nix, so schadet's auch nix. Kaum dem scheinbar sicheren Tod entronnen, wird auf Gott und Priester gepfiffen; mitten in einer Krise, deren Ausmaße noch nicht absehbar sind, kann ein bisserl EU nicht schaden. 

In einer Zeit, da manche Ökonomen - und sie mögen übertreiben - nicht sicher sind, dass der Euro die Krise überlebt, wäre es leichtsinnig, keinen Gedanken darauf zu verschwenden, was denn wäre, wenn es mit der EU eben nicht klappt. Auf so sicheren Füßen steht dieses Gebilde nicht, wenn man sieht, welche Hektik in Brüssel angesichts der Regierungskrise beim derzeitigen Präsidentschaftsland Tschechien ausgebrochen ist. Wer auch immer egal welches Denkverbot erteilt, handelt grob fahrlässig. (Michael Amon, DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2009)