Jetzt stellt sich die Frage, was herauskommen kann, wenn man in das Land hineinhört. In dieses Land, wohlgemerkt. Herr Bundeskanzler! Horchen Sie doch ins Land hinein, forderte Andreas Khol gestern in der "Presse", getrieben von aufrichtiger Sorge, an Helmut Zilk bleibt etwas hängen, und die raschen Vorverurteiler behalten recht. Ins Land hineinzuhorchen ist das Letzte, was man diesem Bundeskanzler empfehlen muss. Wenn der ins Land hineinhört, benutzt er dazu sogar einen Schalltrichter, damit ihm nur ja nichts entgeht - die "Krone". Darum hört er auch glasklar, was einem Khol bei den von "profil" erzeugten Hintergrundgeräuschen verborgen bleiben muss. Es ist typisch, wie großen Persönlichkeiten Steine ins Grab nachgeworfen werden: Bei Helmut Zilk ist das jetzt so und grenzt bereits an Leichenfledderei, bei Haider - natürlich zu Lebzeiten politisch höchst umstritten - war es genau so, und über Innenministerin Prokops Tod freute sich ein selbst ernannter Gutmensch, dass sie endlich das Zeitliche gesegnet hatte. So viel zu großen Persönlichkeiten und den ihnen nachgeworfenen Steinen.

Der auf Knopfdruck Dichands gewährte Persönlichkeitsschutz für den Ombudsmann des Blattes wird, wie jede gute Tat, belohnt. Dass die "Krone" bei solchen ekelhaften Schändungen von Verstorbenen sicher nicht mitmacht, versteht sich von selbst, und vielleicht ist das auch der Grund, warum die Meinungsforscher von "market" Spitzensympathiewerte für die "Krone" herausgefunden haben, wurde Samstag unter Politik inoffiziell vermutet. Die Unterdrückung von Informationen macht sich eben bezahlt: Auch in puncto Aktualität belegt die "Krone" im Dienst für ihre fast 3 Millionen Leser unangefochten Platz 1.

Von solchen Spitzensympathiewerten konnte Khol selbst in seinen besten Zeiten, als er es den "roten Gfriesern" noch ordentlich hineinsagte, nur träumen. Heute meint er: Zilk verdient Besseres, und fordert eine Verdichtung der Unschuld Zilks über die von der "Krone" zur Gewissheit erhobenen Vermutung hinaus. Was nützt da das Menschenrecht der Unschuldsvermutung? so fragte er. Zilk war so wichtig, so prominent und so angesehen, dass Klarheit über die Vorwürfe auch für die gesamte Gesellschaft bedeutend ist.

Worin diese gesamtgesellschaftliche Bedeutung besteht, lässt Khol ebenso unbeantwortet wie die Frage, wer sie verleihen sollte. Ist unsere Bürgergesellschaft in der Lage, eine solche Kommission von Fachleuten zur Untersuchung der Vorwürfe gegen Zilk einzusetzen? Der Staatsmann Zilk hätte es sich verdient.

Personen, die sich im Zwielicht spionierender Obskuranten gewandter bewegen als unser Fan der Bürgergesellschaft, machen dessen Aufwertung Zilks zum Staatsmann verhaltener mit, stellen dafür umso kühler fest: "Helmut Zilk war glasklar ein Spion." So in der "Presse", und nicht nur das - da hält ein Geheimdienstexperte, Unschuldsvermutung hin oder her, eine Kommission für nicht notwendig. Und frech fordert er: Dagmar Koller muss man sagen, dass das, was ihr Helmut gemacht hat, eben nicht koscher war. Das muss sich erst einmal jemand trauen, meldete doch "Österreich": Für Zilk wird sie zur Löwin.

Der Stil der "Presse" in der Causa Zilk könnte auch Licht ins Dunkel der Media-Analyse bringen, in dem Chefredakteur Michael Fleischhacker am Freitag so erbarmungswürdig herumtappte. Die "Krone" macht es ja vor: Ekelhafte Schändungen von Verstorbenen bringen bei den Lesern keine Sympathiewerte. Fleischhacker sollte lieber Catos Gnam studieren, als sich in eigenen Erklärungen der Lage zu versuchen, in die sein Blatt kontinuierlich abrutscht.

Der Abstand der Reichweiten zwischen "Presse" und Standard sei so groß wie seit Langem nicht, teilte er mit. Ehrlicher wäre er zu sich und seinen Lesern gewesen, hätte er gesagt, so groß wie diesmal war dieser Abstand überhaupt noch nie. Seine Ursachenforschung kann mit der der "Krone" mithalten. der Standard lasse bei der Erhebung den Befragten rosa Titelkarten vorlegen unter sonst weißen. Korrekt, nur hat das der Standard immer so gehalten, und nicht erst, seit es in der Ära Fleischhacker mit der "Presse" steil bergab geht. Die Leserschicht des Standard (Lehrer, Studenten, etc.) ist für die Befragungen leichter zu Hause anzutreffen. Woher er vor allem bei den etc. so sicher ist, verrät er nicht. Aber auch die Leserschicht des Standard hat sich seit 2005 nicht wesentlich verändert. Vielleicht sollte Fleischhacker seine Bella Figura mehr in den Dienst der Rettung der "Presse" stellen - der Sonntag braucht ihn weniger. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 31.3.2009)