Die schlechte Nachrede wegen der Millionenprämien für die Manager des am Staatstropf hängenden US-Versicherungsriesen AIG hat gewirkt: Handstreichartig ließ Präsident Barack Obama über seine Auto-Taskforce den ebenso störrischen wie glücklosen General-Motors-Chef Rick Wagoner abservieren.

Wir sehen zu, wie Wirtschaftsgeschichte geschrieben wird: Noch nie seit der Großen Depression der 1930er-Jahre hat sich eine US-Regierung so intensiv in Angelegenheiten privater Firmen eingemischt. Das Wort des Präsidenten steht in der Jahrhundertkrise über dem Aktienrecht. In den USA herrscht nun doch eine Art Sozialismus: Der Staat bestimmt, dass das Management unfähig ist, GM wieder konkurrenzfähig zu machen; der Staat bestimmt, dass Fiat der geeignete Partner für Chrysler ist. Weil er als Letzter über die Notenpresse ausreichend Geld hat und als Letzter noch Vertrauen genießt.

Wer glaubt, dass mit dem Austauschen einiger Köpfe und ein paar Empfehlungen die Sache gegessen ist, täuscht sich. Obama dürfte erkannt haben, dass in einer existenzbedrohenden Krise systemrelevanter Unternehmen die Verstaatlichung ein probates Mittel ist, um danach über eine radikale Sanierung den Neustart und somit die Systemrettung zu schaffen. Das gilt für AIG mit ihrer weltweiten Finanzverflechtung sowie für GM und seine Zulieferer, mit Abstrichen auch für Chrysler.

Unternehmensführer wie Wagoner, über familiäre Erbpachten mit einem Konzern verbunden und an elitären Ivy-League-Universitäten ausgebildet, mögen noch geglaubt haben, sie überstehen die Krise mit den gleichen, überkommenen Strategien wie bisher. Hier ein paar tausend Leute rauswerfen, dort ein paar Werke schließen, das Kaputtsparen der Entwicklungsabteilungen neumodisch "lean", also "schlank", nennen, ein paar Hybrid- und Elektroprototypen auf Motorshows herzeigen und behaupten, dass sie in drei bis fünf Jahren (wenn die Vorstandsverträge auslaufen und Prämien fällig sind) serienreif sind.

Damit ist nun wohl Schluss. Obama schwingt die staatswirtschaftliche Eisenfaust, auch wenn sie mit Rücksicht auf den konservativen Teil Amerikas noch den marktwirtschaftlich verbrämten Samthandschuh übergezogen hat.

Nun sind Staatshilfen in den USA für die Autoindustrie nicht populär. Die Spitzenmanager sind nach der Einlage mit den Firmenjets - sie reisten von Detroit zur Kongressanhörung wegen der Staatshilfen nach Washington mit konzerneigenen Luxusflugzeugen an - in der öffentlichen Meinung unten durch. Man könnte Obama vorwerfen, er beuge sich dem medialen Druck, opfere nun schnell Wagoner und Konsorten als Sündenböcke.

Nichtsdestotrotz hat er über seine Auto-Taskforce, die für Staatshilfen Sanierungskonzepte fordert, das Richtige getan. Bemerkenswert ist, dass in dieser Kommission kein einziger direkter Vertreter der Industrie sitzt. Das Team ist illuster, aber knallhart: Der Vorsitzende ist ein früherer Motorjournalist, der zum Investmentbanker wurde. Mit ihm arbeiten - neben den Leuten aus Obamas Wirtschaftsstab - unter anderem ein Ex-Investmentbanker, der die streitbare US-Autogewerkschaft beriet, ein Top-Insolvenzrechtsexperte und ähnliche Großkaliber.

Was könnten Österreichs Politiker aus den Entwicklungen in den USA lernen? Wenn schon Populismus, dann mit Substanz. Und mit Sachorientierung im Hintergrund. Nur Köpfe umfärben und Parteipfründe verteidigen, dabei hanebüchene wirtschaftliche Strategien verfolgen (Beispiel AUA: eine "rot-weiß-rote Heckflosse" bis zur Pleite), ist zu wenig, um sich das von heimischen Boulevardmedien anbiedernd bereits verliehene Prädikat "Austro-Obama" ernsthaft zu verdienen. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.03.2009)