Für 224.000 Euro gibt es die Möglichkeit, sich vom Wind recht eindrucksvoll eine neue Frisur machen zu lassen. Voraussetzung: Man nimmt die Mütze ab. Und hat so viel Geld.

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Zugegeben, ich war uncool. Lamborghini zwar, aber uncool. Ich trug Mütze. Nicht bloß Mütze und eben nicht die weiße Schirmkappe mit dem schwarzen Stier, die mir angetragen wurde, um das Image der Marke nicht zu beschädigen, sondern Pudelhaube. Eine schwarze Pudelhaube aus Wolle und aus Wien, wie man sie auf Teneriffa nicht finden würde. Wir eröffneten zwar die Cabrio-Saison, und damit das glaubwürdig ausfallen würde, wählten wir Teneriffa und damit deutlich über 20 Grad. Aber mit Pudelhaube. Mir hing noch der Hauch einer Verkühlung aus Wien nach. Ein Kratzen im Hals nur, aber der Wagen geht angeblich deutlich schneller als 300 km/h, da braucht man eine Mütze.

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Stephan Winkelmann, der übermodische Chef von Lamborghini, der seinen streng taillierten italienischen Business-Anzug trägt wie Neopren, also hauteng, da passt nicht einmal mehr ein Kuli in die Brusttasche, hatte ein fantastisches Auto angekündigt: Lamborghini Gallardo LP 560-4 Spyder. Und wann auch immer Winkelmann von diesem Cabrio spricht, er spricht es immer auch so aus, inklusive Bindestrich, den er in einem Anflug von italienischer Nachlässigkeit auf einen "Strich" verkürzt. Im Prinzip lernen wir aus dem Namen bereits das Wesentliche über das Auto. Tatsächlich 560 PS, permanenter Allradantrieb und Fetzendach natürlich.

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Der Gallardo Spyder ist leichter geworden, er wurde grundsätzlich überarbeitet und neu aufgesetzt, er ist stärker. Und schneller. "Sie können jetzt 324 km/h fahren", sagte Winkelmann, ohne mit dem Mundwinkel zu zucken. 324 km/h mit offenem Dach. (Daher die Mütze.)

"Bringen Sie den Lamborghini Gallardo LP fünfhundertsechzig Strich vier Spyder bitte im Ganzen zurück", sagte Winkelmann, als er mir den Fahrzeugschlüssel in die Hand drückte.

Kein Startknopf, wie erfrischend. Man startet noch mit dem Schlüssel. Der Motor schrie einmal kurz auf. Eine Menschenmenge lief zusammen. Mit der Mütze hielten sie mich sicher für einen Idioten. Dank des Autos vielleicht nur für einen halben. Hier schätzt man die Fahrer schnittiger Automobile.

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Ich rollte die Landstraße entlang, ließ Alcalá und den Playa de San Juan hinter mir, ließ das erste Mal den Motor brüllen, erste Fältchen wurden gestrafft, dann zog ich mir die Haube tiefer ins Gesicht, gewann die Autostrada Richtung Los Christianos, und ehe ich mich versah, verfehlte ich in einem Augenklimpern die Abfahrt Richtung Valle de San Lorenzo. Also die nächste runter, zurück, dann Richtung Laderas del Teide. Der Berg rief. Der Zehnzylinder des Gallardo schrie zurück. Wütend. Böse. Der Aufstieg wurde erschwert durch Mietkleinautos, die auch auf den Berg wollten, der Lambo übersprang sie jeweils mit einem brüllenden Gasstoß, und ich kam mir vor wie der Hase, als wir schon wieder auf einen roten Citroën C2 aufliefen (Igel), brüll und spring.

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Endlich oben, so weit es halt geht. Von tatsächlich null auf mehr als 2000 Meter in knapp zwei Stunden, höher geht es mit dem Auto nicht, die 3000 Meter sind der Seilbahn vorbehalten. Ich warf das Kreischen, Brüllen und Schreien des entfesselten Gallardo gegen den Hang des Berges, der an uns vorbeiflog, der Berg nahm das Kreischen, Brüllen und Schreien des Gallardo und prügelte damit auf uns ein. Der Vulkan erzitterte. In diesem Tosen übersah ich die Sonne. Als ich Winkelmann am Abend den Lamborghini Gallardo LP fünfhundertsechzig Strich vier Spyder zurückgab, sagt er: "Ihr Gesicht ist rot wie eine Tomate. Und Sie haben eine Wollmütze auf." Er hatte ernsthaft Sorge um sein Image und jenes der Marke, aber ich kannte kein Mitleid. "324 km/h bin ich auch nicht gefahren", gab ich unumwunden zu, das sollte er ruhig wissen. Schuld daran war ein roter C2, aber das interessierte Winkelmann nicht. (Michael Völker/DER STANDARD/Automobil/27.3.2009)