Rom - Der Zustrom afrikanischer Migranten nach Europa wird immer stärker. Zwei Millionen Menschen warten nach Angaben der italienischen Regierung auf die Gelegenheit, um von den libyschen Küsten abzufahren, um über das Mittelmeer nach Süditalien zu gelangen. Täglich fahren Fischerboote ab, die nach abenteuerlichen Reisen in rauer See die Küsten Siziliens oder der Mittelmeerinsel Lampedusa erreichen. Viele Seefahrten enden tödlich. Der Kanal von Sizilien ist zu einem Friedhof geworden, in dem nach Schätzungen italienischer Medien in zehn Jahren mindestens 10.000 Menschen gestorben sind.

Allein im vergangenen Jahr sind über 530 Menschen in den italienischen und maltesischen Gewässern ums Leben gekommen, schätzt das Büro des Flüchtlingswerks UNHCR in Rom. "Das Mittelmeer ist ein Grab für Migranten geworden. Verantwortlich für diese unglaubliche Katastrophe ist die libysche Regierung, die die Migranten ausnutzt, um Milliarden von der italienischen Regierung zu erhalten", protestierte der Spitzenpolitiker der Grünen, Angelo Bonelli.

Entschädigung für Besatzungszeit

Der italienische Premierminister Silvio Berlusconi hatte im vergangenen August mit Libyens Staatschef Muammar Gaddafi eine Milliarden-Entschädigung für die Kolonialzeit abgeschlossen. Rom verpflichtete sich, über 25 Jahre verteilt 3,4 Milliarden Euro in Form von Projektinvestitionen zu zahlen. Berlusconi entschuldigte sich im Namen des italienischen Volkes bei Libyen für das während der Besatzungszeit von 1911 bis 1942 erlittene Unrecht. Teil des neuen Abkommens war auch eine stärkere Zusammenarbeit beider Länder im Kampf gegen die illegale Einwanderung. Bisher hatte sich Libyen wegen der nicht geregelten Kolonialfrage bei der Kooperation zurückgehalten, doch das erreichte Abkommen hat nicht die erwünschten Resultate gebracht.

"Die libyschen Behörden erlauben, dass Tausende von Migranten nach Europa abreisen, um von Italien mehr Geld zu verlangen. Diese Menschen werden als Tauschobjekt ausgenutzt. Inzwischen sind schon Tausende Flüchtlinge gestorben. Es ist eine Schande ohne Grenzen und die UNO sollte eine Untersuchung über die vielen Toten im Mittelmeer einleiten", sagte Bonelli.

Sizilien fordert "Marshall-Plan"

Sizilien, die von der illegalen Immigration am stärksten betroffene Region, fordert inzwischen einen "Marshall-Plan" zugunsten der nordafrikanischen Länder, aus denen die Flüchtlingsboote in Richtung Süditalien starten. Nur mit massiverer Entwicklungshilfe könne man die Einwanderungsströme stoppen, die in den vergangenen Wochen Sizilien stark unter Druck setzen, betonte der Präsident des sizilianischen Regionalrats, Raffaele Lombardo.

"Man kann die Flüchtlinge nicht mit Gewalt stoppen. Wir wollen nicht, dass die sizilianischen Küsten zu einem Friedhof werden", sagte Lombardo, Parteifreund des italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi. Er forderte umfangreiche Investitionen, um Arbeitsmöglichkeiten und Wohlstand in den nordafrikanischen Ländern zu schaffen. Ex-Europaminister Rocco Buttiglione forderte von der EU eine Mittelmeerkonferenz, um das Problem der Migration zu diskutieren. "Das Abkommen zwischen Italien und Libyen zur Bekämpfung der illegalen Migration funktioniert nicht. Die EU-Länder am Mittelmeer müssen eine gemeinsame Aktion startet, um den Menschenhandel zu stoppen", sagte Buttiglione.  (APA)