Chodorkowski wieder vor Gericht - TM
Anklage wirft früherem Jukos-Chef Unterschlagung in Milliardenhöhe vor - Es drohen bis zu 22 Jahre Haft
Moskau - Der frühere russische Ölmilliardär und inhaftierte Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski steht wieder vor Gericht. Der 45-Jährige, der einst als reichster Mann Russlands galt, wird beschuldigt, umgerechnet rund 20 Milliarden Euro unterschlagen zu haben. Chodorkowski und seinem ehemaligen Geschäftspartner Platon Lebedew drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 22 Jahre Haft. Viele Beobachter halten den Prozess, dessen Hauptverhandlung am Dienstag begann, für politisch motiviert. Eigentliches Ziel sei es, Chodorkowski weiter hinter Gittern zu halten.
Der frühere Chef des zwischenzeitlich zerschlagenen Ölkonzerns Jukos verbüßt derzeit eine achtjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung und Betrugs. Sie endet im Jahr 2011 - wenige Monate vor der nächsten Präsidentenwahl. Schon Chodorkowskis Verhaftung im Jahr 2003 hielten Kreml-Kritiker für einen Vorwand, um ihn für seine politischen Ambitionen abzustrafen.
Den neuen Prozess betrachten viele auch als Test dafür, wie es Präsident Dmitri Medwedew mit dem Rechtsstaat hält. Eine weitere Verurteilung Chodorkowskis wäre in ihren Augen ein Signal, dass sich gegenüber der Amtszeit von Wladimir Putin nichts geändert hat. Ein Freispruch würde dagegen einen Bruch mit der Putin-Ära markieren.
Vorwürfe "verrückt"
Die Verteidigung bezeichnete die Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew als "verrückt". "Sie entbehren jeglicher Grundlage", sagte Anwalt Wadim Klyuwgant am Dienstag. Die Anklage käme dem Vorwurf gleich, dass Chodorkowski das gesamte Öl gestohlen habe, das von Jukos zwischen 1998 und 2003 produziert worden sei. "Im Grundsatz wird Chodorkowski beschuldigt, dieses Öl von sich selbst gestohlen zu haben", sagte ein Sprecher seines Verteidigerteams.
Chodorkowski selbst wies den neuen gegen ihn gerichteten Prozess als sinnlos zurück. Er schlage vor, das Verfahren zu beenden, sagte Chodorkowski in seiner ersten Stellungnahme vor Gericht. Dies sei für das Land das beste Ergebnis und zudem juristisch gerechtfertigt. "Ich betrachte diesen Prozess vom rechtlichen Standpunkt her als sinnlos", fügte der frühere Chef des Yukos-Konzerns hinzu. "Es gibt kein Geld mehr, das uns abgenommen werden kann."
Chodorkowski zeigte sich resigniert. "Was mich persönlich angeht, ich habe das alles satt", sagte der hinter Panzerglas sitzende Angeklagte zu Beginn der Anhörung. Im Anschluss sollte die Anklageschrift verlesen werden. (APA/AP)