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Zwar nicht diese Jungen, aber eine andere Art von Kuckuck kann eines Tages an der Haustür kleben, wenn ein vollstreckbarer Vergleich vorliegt. Den wollen auch die Anwälte aushandeln dürfen.

Foto: APA/DPA/Grimm

Eine Initiative der Rechtsanwaltskammer Wien lässt die traditionelle Rivalität zwischen Anwälten und Notaren wieder aufleben: Wie Kammerpräsident Michael Auer im Standard-Gespräch erläutert, soll in der für heuer geplanten Novelle der Rechtsanwaltsordnung (RAO) der vollstreckbare Rechtsanwaltsvergleich in die Rechtsordnung eingeführt werden.
Das bedeutet, dass bei minderen Streitigkeiten die Anwälte der Streitparteien einen Vergleich aushandeln können, der dann in Form eines gerichtlich durchsetzbaren Exekutionstitels für den Mandaten sofort vollstreckbar wird. Auer hält dies etwa für Obsorgeregelungen nach Scheidungen, nicht erfüllte Lieferverträge, Provisionsstreitigkeiten oder Mietzinsrückstände für eine praktikable Alternative zu traditionellen Gerichtsverfahren.
"Das ist überall dort sinnvoll, wo die Streitparteien auch in Zukunft etwas miteinander zu tun haben werden und deshalb an einer friedlichen Beilegung interessiert sind" , sagt Auer. "Wenn die Klienten bereit sind, die Konfliktlösung selbst in die Hand zu nehmen, kann man die Verfahren beschleunigen und die Justiz entlasten. Und wenn eine Seite ein Urteil will, bleibt immer noch der Richter." Lange Verzögerungen bei Gerichtsurteilen seien ein Ärgernis für Bürger, vor allem im Familienrecht, warnt Auer.
Derzeit ist ein Vergleich nur vollstreckbar, wenn er vor dem Richter als "prätorischer Vergleich" geschlossen wird. Auch die Notare können Exekutionstitel schaffen, anders als die Anwälte vertreten sie aber keine Seite.

Warnung vor "Paralleljustiz"

Die Anwälte bemühen sich schon seit Jahren um dieses Instrument, das es derzeit in keinem EU-Land gibt; sie sind bisher am Widerstand der Notare und rechtsdogmatischen Bedenken gegen eine "Paralleljustiz" gescheitert. Das Justizministerium selbst hält sich bedeckt: Man habe hier noch keine Entscheidung getroffen.
Auer weist alle Kritikpunkte zurück. Der Anwaltsvergleich sei eine Ergänzung zum Notariatsakt, streitige Auseinandersetzungen würden kaum je beim Notar landen. "Der vollstreckbare Notariatsakt bleibt dort bestehen, wo ihn das Gesetz vorschreibt. Die Notare verlieren gar nichts." Er fordert für seine Zunft "Waffengleichheit mit den Notaren" .
Den Notaren geht es um mehr: Michael Umfahrer, Präsident der Notariatsakademie, sieht den Rechtsstaat gefährdet, wenn Anwaltsvergleiche exekutierbar werden. "Mit der Errichtung solcher Urkunden kann ausschließlich eine Stelle betraut sein, die mit öffentlicher Hoheitsgewalt ausgestattet ist. Das kann nur der Notar sein" , sagt er dem Standard.

Mehr als Gerichtsgebühren

Das geringe Interesse an außergerichtlichen Vergleichen per Notariatsakt liege daran, dass dies eine Gebühr von zwei Prozent des Streitwertes auslöse; das sei mehr als die Gerichtsgebühren, weshalb man eher vor Gericht ziehe. Eine Senkung oder Abschaffung der Gebühren für notarielle Vergleiche würde auch die Gerichte entlasten und dennoch die Qualität von Exekutionstiteln erhalten, sagt der Wiener Notar. Die immer noch fälligen Notargebühren seien viel geringer.
Anders als Anwälte seien Notare von der Ausbildung und Auswahl her befähigt, in einvernehmlichen Fällen an die Stelle des Richters zu treten, betont Umfahrer. Für Anwaltsvertreter Auer hingegen reicht die Anwaltshaftung, um Klienten vor schlechter Beratung zu schützen. Außerdem würde ein Richter einen ausgehandelten Anwaltsvergleich zumindest formal - aber nicht inhaltlich - bestätigen müssen, räumt er ein.
Überhaupt wünscht sich Auer eine Verstärkung der lösungsorientierten "collaborative practice" , die etwa in Kanada angewendet wird. Als weitere Maßnahmen zur Entlastung der Justiz schlägt er die Einführung des elektronischen Gerichtsaktes vor sowie der Kostenüberprüfung in Verfahren durch die jeweils gegnerischen Anwälte. Die Kostenüberprüfung durch die Richter sei überflüssig, überhöhte Honorare durch ein "Anwaltskartell" könnten allein durch die Anwaltshaftung verhindert werden. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.4.2009)