Sabrina Tanner (38), geboren in Villach, studierte an der Grazer Kunstschule Textildesign und an der Linzer Kunst-Uni Industriedesign. Sie ist Gründerin, Geschäftsführerin und wissenschaftliche Projektleiterin der beiden Wiener Gesellschaften Urban Tool Design und Lösungsmittel Produkt- und Industriedesign.

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Standard: Wie kommt man auf die Idee, Elektrogeräte in Bekleidung zu integrieren?

Tanner: Wir bieten ja Kleidung und Taschen an, um Elektronikgeräte tragbar zu machen. Da ist es dann naheliegend, Textilien gleich so zu entwerfen und zu entwickeln, dass die Bekleidung selbst all diese elektronischen Tools integriert, so dass man sie entweder nicht mehr eigens mitschleppen muss oder zumindest über die Textilien bedienen kann, ohne die Geräte jedes Mal herauszukramen. Die Technologie kann das heute schon, die Geräte sind aber immer noch sehr konventionell aufgebaut. Das wollten und wollen wir ändern.

Standard: Und wie wollen Sie das machen?

Tanner: Wir bemühen uns seit einiger Zeit, sinnvolle Taschen und Kleider zu machen, um Menschen das Leben mit Technik zu erleichtern. Es ist heute ja nicht mehr so, dass ein Menschen nur ein elektronisches Gerät mit sich führt, meisten sind es drei oder sogar vier. Sie wollen diese Geräte sicher und auch komfortabel verwahrt wissen, während sie sie bei sich tragen. Unser Part ist es nun, dem Menschen auf die Finger zu sehen und zu schauen, wo ein Mangel oder ein Bedürfnis besteht und wo hier angesetzt werden muss, um eine sinnvolle Kombination und Integration von Technologie und Textilien zu schaffen.

Standard: Sie kommen aus dem Bereich Design. Was waren für Sie die größten Herausforderungen?

Tanner: Die größte Herausforderung besteht darin, zwei Bereiche, die eigentlich unterschiedliche Zugänge haben, Mode und Technik, unter ein Dach zu bringen. Allein die Zielsetzung dieser beiden Bereiche ist schon völlig verschieden. Und dann wird es spannend, wie es am Point of Sale aussehen soll. Verkaufe ich das in der Elektrofachabteilung oder in einer Modeboutique?

Standard: Und wo kaufe ich das nun wirklich?

Tanner: Schwierig. Solche Produkte positionieren sich nach wie vor sehr unterschiedlich. Im Moment verkaufen wir diese "wearable" Produkte meist direkt über das Internet. Die Online-Community ist in diesen Belangen sehr viel offener als die klassische Kundschaft, die sich entweder in Elektrofachgeschäften oder in Bekleidungsfachgeschäften trifft. Sicher ist aber, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer dieser Elektrotextilien oder textilen Elektrogeräte einen höheren Beratungsaufwand haben. Die Verkaufskanäle sind sicher eine große Herausforderung. Die andere Herausforderung ist natürlich die Produktion. Elektronik ist eine hochkomplexe Technologie, die im Millimeterbereich genau sein muss, die Textilien selbst sind aber meist noch handwerklich weniger präzise gefertigt. Hier eine effiziente Schnittstelle zu schaffen ist ebenfalls nicht leicht.

Standard: Die Arbeit am T-Shirt mit Musikplayer wurde von FemPower als förderungswürdig angesehen. Was ist Ihr nächster Schritt?

Tanner: Wir sind mit unserem T-Shirt schon fast ausverkauft, wir hatten es in einer limitierten Auflage produziert. Wir haben aber auch gesehen, dass die Größenvielfalt eine zusätzliche Herausforderung im Verkauf darstellt, und so widmen wir uns derzeit zunehmend Accessoires, machen also zum Beispiel Taschen interaktiv. Mit Steuersystemen zum Beispiel, über die ich, ohne die Tasche öffnen zu müssen, meinen MP3-Player oder das Handy ansteuern kann. Und auch die Integration von Solartechnologie in die Taschentextilien, sodass sich meine Geräte, wenn ich sie in der Tasche trage, automatisch aufladen, ist ein Thema, und ähnliche Dinge.

Standard: Und welche Visionen haben Sie für diese Form von elektronischen Textilien?

Tanner: Ich finde es sehr schade, dass eigentlich sehr wenig von dem, was technisch machbar ist, umgesetzt wird und den Konsumenten zugänglich gemacht wird. Meistens bleibt es bei Prototypen. Wobei ich schon weiß, dass der Konsument noch nicht daran gewöhnt ist, mit einem Hemd oder einer Bluse auch gleich einige elektronische Knöpfe mit unterschiedlichen Funktionen am Leib zu haben. Meine Vision ist, dass es bald wesentlich mehr derartige Produkte auf dem Markt gibt und es damit auch zu einer Bewusstseinsänderung kommt. Textilien sind nicht nur Mode, sondern auch Alltagstechnik, die einem das Leben erleichtern.

Standard: Können Sie sich vorstellen, dass dieser Bereich über die Unterhaltungselektronik hinaus in andere Bereiche einfließen kann?

Tanner: Hier gibt es viele engagierte Projekte, etwa Bettwäsche, die über Sensoren den Entspannungsgrad des Schlafes misst. Das wird eines Tages massiv kommen. Die Frage nach der Finanzierung ist jedoch hier noch nicht geklärt. Der Markt dafür wäre aber vorhanden. (Andreas Feiertag, DER STANARD/Printausgabe, 1.4.2009)