Bild nicht mehr verfügbar.

Rund 200 Flüchtlinge wurden im Juni 2008 nahe Lampedusa gerettet und entgingen nur knapp einer Tragödie, wie sie am Montag eintrat.

Foto: AP Photo/Italian Coast Guard

Tripolis/Rom - Bei einer Flüchtlingstragödie im südlichen Mittelmeer sind vermutlich hunderte Menschen ums Leben gekommen. Bis zu drei überfüllte Boote sind offenbar bei heftigem Wind vor der libyschen Küste gesunken. Bis Dienstagnachmittag waren 21 Tote und 23 Überlebende geborgen worden. Nach einer Meldung der ägyptischen Nachrichtenagentur Mena sollen unter den Flüchtlingen viele Ägypter gewesen sein.

Nach Aussagen der libyschen Küstenwache war ein Schiff mit rund 250 Migranten von Sid Belal Janzar bei Tripolis in Richtung Sizilien ausgelaufen und nach drei Stunden gesunken. Über die anderen gesunkenen Boote gab es keine Informationen. Offenbar konnte aber ein viertes Schiff aus der Seenot gerettet werden. Von einer Ölplattform war die Position des Bootes mit 350 Insassen an ein italienisches Schiff, das für die Versorgung mehrerer Bohrinseln vor der libyschen Küste zuständig ist, gefunkt worden.

Das Holzboot, in dem die afrikanischen Flüchtlinge zusammengepfercht waren, konnte vom italienischen Schiff in 15 Stunden unter Aufsicht der libyschen Küstenwache nach Tripolis geschleppt werden.

Antonio Guiterres, UN-Hochkommissar für Flüchtlingswesen, äußerte "tiefe Trauer" über die Tragödie: "Immer mehr Menschen sind auf der Flucht und die Barrieren, die sie zu überwinden haben, werden immer massiver." Guiterres verwies darauf, dass viele der Flüchtlinge aus Kriegsgebieten stammten: "75 Prozent aller in Lampedusa gelandeten Flüchtlinge haben um politisches Asyl angesucht."

Allein 2008 sind über 530 Menschen in den italienischen und maltesischen Gewässern ums Leben gekommen, schätzt das Büro des Flüchtlingswerks UNHCR in Rom. Insgesamt sollen dort rund 10.000 Menschen umgekommen sein. "Das Mittelmeer ist ein Grab für Migranten geworden" , sagte der Spitzenpolitiker der italienischen Grünen, Angelo Bonelli.

Mehr Zustrom durch die Krise

Wegen der schweren Wirtschaftskrise erwartet die EU mehr Armutsflüchtlinge aus Afrika, erklärte der Sprecher von EU-Kommissar Jacques Barrot am Dienstag in Brüssel. Schon seit zwei Jahren erlebe die Union eine zunehmende Einwanderung über das Mittelmeer. Man versuche, das mit strengeren Kontrollen zu verhindern.

Seit Montagnacht sind unterdessen an der sizilianischen Küste drei Boote mit fast 300 Migranten gelandet. Ein weiteres Schiff mit 220 Insassen erreichte Lampedusa, dessen Aufnahmelager erneut überfüllt ist. Italiens Innenminister Roberto Maroni kündigte an, der Flüchtlingsstrom werde ab 15. Mai zum Erliegen kommen. An diesem Tag sollen mit Inkrafttreten des bilateralen Abkommens die gemeinsamen Patrouillenfahrten vor der libyschen Küste beginnen. Nach Aussagen der italienischen Küstenwacht versuchen immer mehr Flüchtlingsboote, die sizilianische Südküste zu erreichen. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD - Printausgabe, 1. April 2009)