Wien - Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist eigentlich ein Charmeur der alten Schule - wenn es um Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und ihre Kritik an der Wiener Polizei geht. Es sei noch "liebevoll und euphemistisch", wenn er Fekters Kritik an der Arbeitsweise der Wiener Polizei als "echte Chuzpe" bezeichne. Sie habe eine "unredliche, polemische Diskussion" losgetreten, ärgerte er sich am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.

Was war passiert? Fekter hatte in einem Interview mit der Presse behauptet, Wiens Exekutive müsse motiviert werden, da die Polizeireformen "in den Köpfen noch nicht angekommen" seien. Anderswo würde die Arbeit besser funktionieren, etwa im Ballungsraum Linz, Wels und Steyr. Das Problem: Überprüft hat diese Angaben niemand - die Daten lassen die Argumentationskette der Ministerin aber seltsam aussehen.

Ein Blick in die Kriminalstatistik des Innenministeriums verrät, dass es in den fünf Jahren zwischen 2003 und 2008 in ganz Österreich einen Rückgang der Anzeigen gegeben hat. Was belegen würde, dass die unter ihrem Parteikollegen Ernst Strasser durchgeführte Polizeireform tatsächlich ein Erfolg gewesen ist - und in Wien diese Reform eben noch nicht wirklich umgesetzt ist.

Allerdings: Den stärksten Rückgang aller Bundesländer in diesem Fünf-Jahres-Vergleich weist just Wien auf. Um 17 Prozent weniger Delikte gab es im Vorjahr als noch im Jahr 2003. In Oberösterreich liegt das Minus bei vier Prozent. Das Argument, Wien habe extrem niedrige Aufklärungsquoten, ist ebenso nicht stichhaltig. Diese Kennzahl lag zwar vor Strassers Amtsantritt deutlich höher, aber immer schon unter dem Schnitt der Bundesländer. Nur: Zwischen 2003 und 2008 stieg die Quote in der Hauptstadt von 26,78 auf 28,1 Prozent, während sie beispielsweise in Oberösterreich von 49,48 auf 48,5 Prozent gefallen ist.

Entweder arbeitet die Wiener Polizei doch nicht so schlecht - dann wäre Fekters Kritik ungerechtfertigt. Oder die Beamten sind, nach welchen Maßstäben auch immer, schlechter als ihre Pendants in den Bundesländern, da in der Hauptstadt die Reform noch nicht in den Köpfen sei - dann würde ihren Vorgänger Strasser wohl eine Mitschuld treffen, da er die Reorganisation angeschafft und das Personal der Polizei reduziert hat.

Anonym schütteln Exekutivvertreter auch außerhalb Wiens den Kopf über den Vergleich des oberösterreichischen Zentralraums mit Wien. "Natürlich sind die reinen Zahlen in den Bundesländern besser, aber es ist unfair, da die Wiener eine ganz andere Kriminalitätsstruktur haben", sagt einer.

Die Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass die von Fekter behauptete Vergleichbarkeit des Gebietes Linz, Wels und Steyr mit Wien nicht unbedingt gegeben ist. Während in Wien 1,66 Millionen Menschen leben, hat Linz 188.000 Einwohner, in allen oberösterreichischen Städten mit über 10.000 Einwohnern zusammengezählt leben nur knapp 440.000 Menschen.

Martin Brandstötter, Fekters Pressesprecher, versucht die Widersprüche aufzulösen. "Es gibt selbstverständlich keine Kritik an Minister Strasser, seine Reform war erfolgreich", sagt er. "Aber es gibt in den Ballungszentren unterschiedliche Entwicklungen bei der Kriminalität." Dass die hausinternen Zahlen des Ministeriums der Wiener Polizei ein eher positives Zeugnis ausstellen? "Wir freuen uns natürlich über einen mittelfristigen Rückgang, aber dennoch ist es notwendig, nach Best-Practice-Beispielen für Wien zu suchen."

Wiens SP pocht übrigens darauf, schon so ein Beispiel geliefert zu haben - durch Videoüberwachung in einzelnen Gemeindebauten sei die Zahl der Vandalenakte dort innerhalb eines Jahres deutlich zurückgegangen, sagte SP-Wohnsprecher Kurt Stürzenbecher. (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 1. April 2009)