Phnom Penh - Im Prozess gegen den einstigen Chef-Henker des Roten Khmer-Regimes in Kambodscha hat die Verteidigung am Mittwoch die Freilassung ihres Mandanten gefordert. Die zehnjährige Untersuchungshaft von Kaing Guek Eav, alias Duch, verstoße gegen alle Rechtsvorschriften, sagte Anwalt Francois Roux. Zudem müsse der 66-Jährige, der als einziger Verantwortung für die damaligen Gräueltaten einräumt, von den anderen vier Angeklagten getrennt werden, die er belastet habe. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Anträge ab. Das Gericht will darüber nächste Woche entscheiden.

Duch war Vorsteher des berüchtigten Foltergefängnisses S21, in dem mindestens 12.380 Menschen gefoltert und ermordet wurden. Er hatte sich am Dienstag erstmals öffentlich bei den Überlebenden und Angehörigen der Opfer entschuldigt. Youk Chhang, Leiter des Dokumentationszentrums für den Genozid in Kambodscha, hält diese Äußerung für wenig überzeugend. "In der kambodschanischen Kultur gibt es keine öffentliche Entschuldigung, so etwas ist nur ganz persönlich möglich. Er inszeniert dies für die westlichen Beobachter und Medien", meinte er.

"Angesichts der Schwere der Anklage verlangen wir von diesem Gericht eine Entscheidung, aber es ist die einzig richtige", begründete Duchs Anwalt seinen Antrag auf Freilassung. Staatsanwältin Chea Leang argumentierte dagegen, Duch befinde sich erst seit Juli 2007 im Gewahrsam des Völkermordtribunals. Mit der vorherigen Untersuchungshaft habe es nichts zu tun. Duch war 1999 verhaftet worden. Er wurde unter kambodschanischer Militärgerichtsbarkeit festgehalten, ehe er dem mit UNO-Unterstützung geschaffenen Tribunal überstellt wurde. "Die Haft ist zu seiner eigenen Sicherheit", sagte Chea Leang. "Die Opfer und Angehörigen seien sehr wütend und könnten  Rache nehmen." Auch die Anwälte der Zivilparteien äußerten sich vehement gegen eine Freilassung.

Am dritten Verhandlungstag kamen neue Details über die Grausamkeiten in S21 ans Licht. Vor der meist nächtlichen Fahrt zur Hinrichtungsstätte gaukelten die Wachleute den gefolterten Gefangenen vor, sie würden in bessere Unterkünfte gebracht. In S21 waren die Gefangenen in Massenunterkünften mit Fußfesseln an Eisenstangen und aneinandergekettet wie in einer Sklavengaleere. Die Verteidigung widersprach auch nicht der Behauptung, dass Gefangenen so lange Blut abgezapft wurde, bis sie tot waren.

Duch ist unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter angeklagt. Dem ehemaligen Mathematiklehrer droht lebenslange Haft. Weitere vier Angeklagte warten auf ihren Prozess. Der kambodschanische Regierungschef hat davor gewarnt, weitere Verdächtige anzuklagen. Dann drohe Bürgerkrieg, sagte Hun Sen, der selbst Soldat der Roten Khmer war, ehe er sich lossagte und aus Vietnam gegen das Regime kämpfte.

Die Roten Khmer wollten einen kommunistischen Bauernstaat verwirklichen. Sie zwangen alle Menschen auf die Felder und brachten jeden um, vom dem sie nicht absolute Loyalität erwarteten. Unter der Schreckensherrschaft von 1975 bis 1979 kamen wahrscheinlich zwei Millionen Menschen um, ein Viertel der Bevölkerung. (APA/dpa)