Ein kleiner Denkfehler hat Spinat über Jahrzehnte zum größten Energielieferanten auf dem Ernährungssektor gemacht. Gustav von Bunge ist er angeblich unterlaufen. Der deutsch-baltische Physiologe hat im Jahr 1890 in hundert Gramm Spinat 35 mg Eisen gefunden und dabei einen wesentlichen Punkt übersehen: Das Ergebnis seiner Analyse bezog sich auf Spinat in getrockneter Form. Da das frische Blattgemüse aber zu 90 Prozent nur aus Wasser besteht, ist der Eisengehalt im Spinat in Wahrheit um ein Vielfaches geringer.
Steroidhormone mit anaboler Potenz
Wenn nicht dem blutbildendem Eisen, welchem Anabolikum im Spinat hatte der berühmte Comichelden Popeye seine unglaubliche Muskelkraft zu verdanken? Phytoecdysteroide - wäre eine plausible Antwort, hätte der amerikanische Zeichner Elzie Segar (1894-1938), als er 1932 ein kräfteförderndes Mittel für seinen Matrosen erfand, von der Existenz dieser Steroidhormone gewusst.
Wissenschafter der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey haben jedoch erst 2008 Phytoecdysteroide aus dem Spinat extrahiert und deren anabole Wirkung anschließend auch gleich bewiesen. Sie fütterten Laborratten täglich mit einer Portion Spinat und konnten dabei beobachten, dass die Tiere nach nur einem Monat deutlich mehr Muskelkraft in ihren Vorderpfoten besaßen. Unter dem Mikroskop zeigte sich dieser Muskelaufbau bestätigt: Mit Hilfe des Spinatextrakts gelang es den Forschern in gezüchtete Muskelzellen von Mäusen und Menschen die Eiweißproduktion um 20% anzukurbeln. Für das Wachstum von Muskelzellen gelten Proteine im übrigen als unersetzbares Baumaterial.
Kein Dopingeffekt mit Spinat
Sportliche Spitzenerfolge vermag mit dem „Spinatdoping" allein allerdings niemand zu leisten. Denn der Mensch müsste täglich mindestens ein Kilogramm frischen Spinat vertilgen um zu vergleichbaren Kräften wie die erwähnten Versuchstiere zu gelangen.
Vielleicht ist Spinat nicht der führende Energie- oder Kraftspender in einer gesunden Küche, dank seiner vielen Nährstoffe hat er jedoch einiges mehr anzubieten. Ballaststoffe, zahlreiche Vitamine, Mineralstoffe und Saponine sind in dem kalorienarmen Blattgemüse enthalten. Ihre krebsvorbeugende und immunstärkende Wirkung ist mittlerweile bekannt und ein regelmäßiger Konsum wird von Ernährungsmedizinern nicht zuletzt deshalb auch gerne empfohlen.
Erwärmen erlaubt?
Was das Aufwärmen betrifft: Bei langsamer Abkühlung werden harmlose Nitrate im Spinat von Bakterien zu gefährlichen Nitriten umgewandelt. Nitrite sind giftig und bilden bei höheren Temperaturen mit Eiweißbestandteilen der Nahrung krebserregende Nitrosamine.
Bei rascher Abkühlung durch sofortiges Kaltstellen im Kühlschrank, darf gekochter Spinat auch nach Wiedererwärmung ohne Bedenken genossen werden. (Regina Philipp, derStandard.at, 02.04.2009)