
In der Eremitage befinden sich 570 Pehlewi-Papyrusfragmente dieser Art.
Im Juli 1936 wurde der Nationalbibliothek ein Vorschlag unterbreitet, den sie nicht ablehnen konnte: Berlin bot an, die 570 mittelpersischen Pehlewi-Papyrusfragmente "vollständig kostenlos" zu restaurieren. Denn auch Berlin hatte eine große Anzahl dieser Papyri. Man nahm an, dass beide Bestände aus demselben Fund stammen. Und so schien es denkbar, dass aus den vielen Einzelteilen ein größeres Ganzes entstehen könne.
Die Nationalbibliothek hätte aber gut daran getan, die wissenschaftlich unbearbeiteten Papyri, die Erzherzog Rainer erworben und 1899 Kaiser Franz Joseph zum Geschenk gemacht hatte, nicht nach Berlin zu schicken. Denn das Puzzlespiel war, wie man heute weiß, unlösbar: Zwei weit voneinander entfernt liegende Fundplätze schlossen dies aus.
Natürlich sollten die Papyri (sie stammen aus der Periode von 619 bis 629 n. Chr., als Ägypten unter der Herrschaft der Perser stand) nach Abschluss der Konservierungsarbeiten nach Wien zurückkehren. Aber dann kam der Weltkrieg dazwischen. Und so fielen die Fragmente den Russen in die Hände: Sie befinden sich heute in der Eremitage von St. Petersburg. Weiterhin unbearbeitet - und in bedenklichem Zustand.
Immer wieder unternahm die Nationalbibliothek Versuche, die Papyri zurückzuerhalten. Erfolglos. Erst 2005 schien es eine Chance zu geben: Generaldirektorin Johanna Rachinger informierte die damalige Kulturministerin Elisabeth Gehrer, dass die russischen Behörden die Rückgabe noch im gleichen Jahr in Aussicht gestellt hätten.
Es sei vereinbart worden, den einzigen Pehlewi-Papyrus mit einer magischen Zeichnung, der aus unbekannten Gründen 1936 nicht nach Berlin verbracht wurde, der Eremitage als Zeichen des Dankes zu schenken. Gleichzeitig werde die Russische Föderation erklären, auf Forderungen an die Republik Österreich bezüglich Verwahrung der 570 Papyri zu verzichten.
Doch es kam nicht zur Rückgabe. Eingebunden in die Verhandlungen damals, 2005, war unter anderem Gottfried Toman von der Finanzprokuratur. Er bezeichnet die Situation der Nationalbibliothek als "wenig ideal". Denn die Papyri wurden - wenngleich die österreichische Provenienz außer Frage steht - in Berlin, also im russischen Feindesland, erbeutet. Es gibt zudem keinen Beschlagnahmeakt.
Die österreichischen Archivalien können, so der Jurist Toman, "im Verordnungswege" zurückgegeben werden. Im Falle der Papyri jedoch bedürfe es eines Restitutionsgesetzes. Die Russen würden zwar immer wieder betonen, ein solches auszuarbeiten, sie hätten es aber nicht wirklich eilig. "Man kann daher nicht viel tun", sagt Toman, "außer von Zeit zu Zeit auf den Fall hinzuweisen." (trenk, DER STANDARD/Printausgabe, 04./05.04.2009)