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Mehrere tausend Menschen sind am Samstag in der Türkei zu Protesten gegen die USA und die NATO auf die Straße gegangen.

Foto: REUTERS/Orsal

Ankara/Berlin/Brüssel - US-Präsident Barack Obama hat mit seiner Aufforderung an die EU, die Türkei aufzunehmen, einige Aufregung verursacht. Diskussionen Für und Wider eines türkischen EU-Beitritts gab es am Montag etwa in Brüssel, Berlin und Paris. Der US-Präsident selbst befand sich in der Türkei, wo er sich um einen Ausbau der bilateralen Beziehungen bemühte. "Die USA unterstützen nachdrücklich die Bemühungen der Türkei, Mitglied in der EU zu werden", sagte Obama vor dem türkischen Parlament.

Die Türkei sei stets ein entschiedener Verbündeter und ein verantwortlicher Partner in den transatlantischen Beziehungen und für die europäischen Institutionen gewesen, sagte Obama. Die Türkei sei mehr als nur mit einer Brücke über den Bosporus mit Europa verbunden. Die Türkei teile mit Europa seit Jahrhunderten eine gemeinsame Geschichte, Kultur und Wirtschaft. Europa werde mit der Vielfältigkeit der Völker, Religionen und Traditionen nur gewinnen, nicht verlieren, betonte Obama. Allerdings müsse auch die Türkei politische Reformen vorantreiben und Anstrengungen im rechtsstaatlichen Bereich unternehmen.

Kommission widerspricht Sarkozy

Schon beim EU-USA-Gipfel hatte der US-Präsident die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union gefordert. Er war damit auf offenen Widerstand bei Frankreich gestoßen. Präsident Nicolas Sarkozy meinte, eine Mehrheit der EU-Staaten seien gegen eine Mitgliedschaft der Türkei. Dies wurde allerdings von der EU-Kommission zurückgewiesen. Innerhalb der EU bestehe Einigkeit, dass die Beitrittsverhandlungen fortgesetzt werden sollten, sagte Barroso, der Obamas Worte ebenso wie Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi begrüßt hatte. "Letztlich müssen wir sehen, ob die Türkei bereit ist beizutreten und ob die Europäische Union bereit ist, die Türkei zu integrieren. Diese Entscheidung wird später getroffen werden."

Vorbehalte gegen eine EU-Erweiterung um die Türkei äußerten auch Österreich und Deutschland. ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger (V) meinte, derzeit seien acht Kapitel im Beitrittsprozess aus gutem Grund gestoppt, und es gebe keine Anzeichen für Fortschritte. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte für eine "privilegierte Partnerschaft". FPÖ-Obmann Heinz-Christan Strache betonte am Montag Obama solle sich "gefälligst nicht in interne EU-Angelegenheiten einmischen". Auch der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brock äußerte sich in diesem Sinn.

Obama sprach in Ankara von der wichtigen Rolle der Türkei als Brücke zwischen der islamischen Welt und dem Westen. Zwischen den überwiegend christlich geprägten USA und der islamischen Türkei könne es eine "Modell-Partnerschaft" geben, sagte Obama nach einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül. Die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA hätten sich zu lange auf militärische Fragen und die nationale Sicherheit konzentriert. Beide Seiten müssten aber auch bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise zusammenarbeiten, forderte Obama. Er stimme mit Gül überein, dass der Terrorismus überall gleichermaßen zu bekämpfen sei. Für die USA gehöre die kurdische PKK unverändert auf die Liste terroristischer Organisationen, sagte Obama.

Klare Worte fand Obama zum Vorgehen der Osmanen gegen die Armenier zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Auf eine Frage, ob er weiterhin glaube, dass es in der Türkei einen "Völkermord" an den Armeniern gegeben habe, sagte Obama, er ändere seine Sichtweisen nicht. Er sei aber sehr froh, dass es intensive Gespräche zwischen Türken und Armenien über die gemeinsame Aufarbeitung ihrer Geschichte gebe. Eine Wiederholung des Begriffs "Völkermord" vermied Obama jedoch. Gül betonte, dass sein Land an einer Versöhnung mit dem Nachbarland Armenien arbeite. Eine Historiker-Kommission befasse sich mit dem Streit um die Massaker.

In Ankara hatte die Absicht von Abgeordneten und Senatoren, im US-Kongress eine Resolution über den "Völkermord" an den Armenien zu verabschieden, großen Protest ausgelöst und die bilateralen Beziehungen belastet. Während des ersten Weltkriegs wurden zum Ende des Osmanischen Reiches rund 1,5 Millionen Armenier getötet. Im US-Wahlkampf hatte Obama von "überwältigenden historischen Beweisen" für einen Völkermord gesprochen.

Zum Auftakt seines Türkei-Besuches hatte Obama am Montag einen Kranz am Grab des Gründers der türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, niedergelegt. Am Montag stand noch ein Gespräch mit Regierungschef Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Der US-Präsident wollte am Montagabend nach Istanbul weiterfliegen, wo am Dienstag unter anderem Gespräche mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., dem ranghöchsten Würdenträger der orthodoxen Christenheit, und mit islamischen Religionsvertretern vorgesehen sind. Nach einem touristischen Programm in Istanbul beendet Obama seine Europa-Reise und fliegt am Dienstag gegen Mittag in die Vereinten Staaten zurück. (APA/AP/dpa/Reuters)