100 Millionen Euro, einfach so. Abrufbar binnen einer Stunde, und nach zwei Nächten in U-Haft verlässt ein unrasierter Julius V. das Gefängnis. Das macht Eindruck. Das heizt die Verteilungsdebatte an. Mit den "Meinl & Konsorten" werde man aufräumen, droht der Kanzler und SP-Vorsitzende beim Auftakt zum Europa-Wahlkampf. Der Reihe nach fordern Leute aus der zweiten Reihe in der SPÖ (und die Chefin der Grünen) eine Vermögenszuwachssteuer bzw. eine wiedereingeführte Vermögenssteuer (auf die Substanz).

Wenn so etwas kommen sollte, dann werden allerdings "Meinl & Konsorten" noch am wenigsten davon betroffen sein. Deren Vermögen ist erstens zum Großteil Betriebsvermögen und steckt zweitens in Stiftungen. Und es gibt vergleichsweise nur wenig sehr reiche Leute in Österreich.

Dieses ökonomische Faktum spielt aber in der politischen Debatte kaum eine Rolle. Es spielt auch keine Rolle - und wird auch nicht geglaubt -, dass Österreich zu den Staaten in der EU gehört, in denen die Einkommen (nicht die Vermögen) am gleichmäßigsten verteilt sind (unter Einrechnung von Sozialtransfers und Besteuerungshöhe). Nach dem "Gini-Koeffizienten" (einer Formel, die besagt, dass die Verteilung umso ungleicher ist, je näher der Wert bei 1 liegt) hat Österreich 0,26 - die turbokapitalistischen, "sozial kalten" Länder wie USA und UK liegen bei 0,41, bzw. 0,38.

Wir spielen in der nordischen Liga - Länder mit hohen Steuern und ausgebautem Sozialstaat.

Das wird auch von jenen Journalisten ignoriert, die Politikern leicht vorwurfsvoll vorhalten, dass Österreich zu den Ländern mit den niedrigsten Vermögenssteuern gehört.

Stimmt ja auch - nur haben Länder mit relativ hohen Vermögenssteuern meist auch relativ niedrige Einkommenssteuern. Alles zusammen - hohe Einkommenssteuern, hohe Vermögenssteuern und hohe Sozialbeiträge - ist ein bisschen viel. Noch dazu eingehoben von einer immer schmäler werdenden Steuerbasis (über 40 Prozent zahlen in Österreich keine Einkommenssteuer mehr). Das ist aber genau unsere aktuelle Situation.

Österreich ist in die Krise mit einer hohen Staatsverschuldung gegangen. Weiteres Schuldenmachen ist nur begrenzt möglich.

Aber wenn nicht bei den Beamten (und bei den Pensionen) gespart wird, dann bleiben nur Steuererhöhungen. Bei wem? Bei denen, die sich etwas erspart haben. Zahlen wird der Mittelstand - vom mittleren Angestellten oder kleinen Selbstständigen aufwärts. Jeder, der für seine Familie etwas zurückgelegt, bzw. in Wertpapiere und/oder Immobilien investiert hat, kommt dann dran. Es wird Ausnahmebestimmungen geben - für bäuerlichen Grundbesitz und für kleine Häuselbauer, weil alles andere politischer Selbstmord wäre -, daher werden die überbleiben, die sich etwas mehr erarbeitet haben, als man so für Auto, Flachbild-TV, Golden Retriever braucht.

Es wird sich um jene Schicht handeln, die jetzt schon für etwa 45 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuern aufkommt. "Meinl & Konsorten" hingegen müssen sich nicht sehr fürchten. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.4.2009)