"Konservativ in meinem Sprachgebrauch bedeutet Gutes bewahren, und überall dort, wo es noch nicht passt, auf Weiterentwicklung zu drängen."

Foto: derStandard.at/Böhmdorfer

"Ich glaube zwar nicht, dass E-Voting des Rätsels Lösung ist, wie man die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen rasant steigern kann, aber es ist eine zusätzliche Serviceleistung."

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"Ich glaube, dass es speziell in Krisenzeiten honoriert wird, wenn eine Partei Wirtschaftskompetenz hat. Das hat die ÖVP, und das spricht ihr auch keiner wirklich ab."

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"Dass man das Internet als Medium nutzt, find ich prinzipiell gescheit. Dass Parteien eine Homepage haben genauso, wenn allerdings Politiker auf StudiVZ sind, nur weil eben gerade Wahlkampf ist, dann ist das peinlich."

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"Man sollte Kinder mit Migrationshintergrund, die erst seit ein paar Wochen in Österreich sind und kein Wort Deutsch sprechen, nicht sich selbst überlassen." Sebastian Kurz, ÖVP-Jugendsprecher in Wien, fordert im Interview mit derStandard.at ein Schulzentrum für junge Migranten, wo sie "intensiv die Sprache lernen", bevor sie eingeschult werden. Wieso er gerne konservativ ist und warum Politiker auf Facebook oft nicht authentisch wirken, darüber sprach er mit Christoph Böhmdorfer und Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Wir haben Sie gebeten, sich für das Gespräch einen Ort auszusuchen, der typisch für Jugendliche in Wien ist. Warum haben Sie das "Freiraum" ausgewählt?

Kurz: Ich komme selber sehr oft hierher. Das "Freiraum" hat vergangenen Sommer aufgemacht und ist eines der spannendsten Jugendlokale in Wien. Ich finde das Lokal vom Setting gelungen. Es ist nett, stylish, aber gleichzeitig herrschen keine Zwänge, sondern es ist eben ein Freiraum.

derStandard.at: Aber nicht alle Jugendliche Wiens können sich die Preise des Lokals leisten. Glauben Sie, gibt es in der Stadt genug Räume, wo sich Jugendliche mit wenig Geld treffen können?

Kurz: Leider nicht. Ich denke, ursprünglich hatte die Stadt Wien mit den Jugendzentren ein gutes Konzept. Diese müssten sich jedoch weiterentwickeln, um auch für junge Menschen im 21. Jahrhundert ein attraktives Angebot zu sein.

derStandard.at: Der ORF hat jetzt mit der Serie "Tschuschen:Power" einen Schwerpunkt für Jugendliche gesetzt. Haben Sie das gesehen?

Kurz: Ich habe es einmal gesehen und weiß selber noch nicht genau, was ich davon halten soll. Umgehauen hat es mich nicht. Es ist natürlich überzogen, aber wie alles hat auch das einen wahren Kern.

derStandard.at: Zum Beispiel?

Kurz: Die Serie geht auf die Vorbehalte der älteren Generation gegenüber anderen Jugendlichen ein. Dieser Unterschied zu den Jüngeren wird ganz lustig thematisiert, weil diese Vorbehalte die Jüngeren oft einfach nerven.

derStandard.at: Ihre eigene Schulzeit ist ja noch nicht lange her. Wie war das bei Ihnen mit den Problemen unter Jugendlichen – auch bei Mitschülern mit Migrationshintergrund?

Kurz: Ich habe 2004 maturiert, in einem kleineren, öffentlichen Gymnasium im zwölften Bezirk, wo es eigentlich ein Migrationsproblem gibt. Ich habe jetzt noch guten Kontakt zu meiner alten Schule, und ich muss sagen: Es ist jetzt viel, viel schlimmer geworden. Auch zu meiner Zeit gab es viele Mitschüler mit Migrationshintergrund, aber bei uns war das noch kein Anlass zum Konflikt. Es gibt jetzt wesentlich mehr Schüler mit wirklich schlechten Deutschkenntnissen, und darum ist es stärker Thema für Schüler, Lehrer und Eltern geworden. Meine damaligen Lehrer, die Migranten als Schüler als ganz normal angesehen haben, sagen heute, ein Deutschunterricht ist gar nicht mehr möglich.

derStandard.at: Woran liegt das?

Kurz: Einerseits gibt es einfach mehr Schüler mit schlechten Sprachkenntnissen als vor einigen Jahren. Andererseits haben Strache-Sager und anderes die Stimmung polarisiert.

derStandard.at: Was könnte man gegen die Sprachprobleme tun?

Kurz: Man sollte die Kinder mit Migrationshintergrund, die erst seit ein paar Wochen in Österreich sind, neu in die Schule kommen und kein Wort Deutsch sprechen, nicht einfach nach ihrem Alter einschulen und sie dann sich selbst überlassen. Ich habe unlängst eine Hauptschule in Wien mit hohem Migrantenanteil besucht, dort hatten sie nur 4 bis 6 Stunden Förderunterricht in Deutsch.

Das führt zu zwei Problemen: Die neuen Schüler sitzen ihre Zeit ab, ohne ein Wort zu verstehen. Natürlich lärmen sie und stören den Unterricht, einfach weil ihnen fad ist. Aber die anderen Schüler werden dadurch vom Unterricht abgelenkt und sehen nicht ein, warum die neuen Mitschüler überhaupt da sind, wenn sie eh nicht mitkommen. Da würde ich es für sinnvoller halten, in Wien ein Schulzentrum für junge Migranten einzurichten, die intensiv die Sprache lernen. Erst dann sollten sie eingeschult werden.

derStandard.at: Im kürzlich veröffentlichten Rassismus-Report wurde festgestellt, dass schon in den Schulen Parallelwelten entstehen. Gibt es einen Bruch zwischen den österreichischen und den ausländischen Schülern?

Kurz: Ich sehe das bei Weitem nicht so dramatisch. Parallelwelten gibt es sicher. Doch der Grund dafür liegt meiner Ansicht nach viel mehr in den sprachlichen Barrieren als in den sozialen und kulturellen Unterschieden. Die Sprache ist sicher der Schlüssel dazu, um diese Parallelwelten wieder aufzubrechen.

derStandard.at: Kommen wir zu einem anderen Thema, dem Wiener Wahlkampf. Wie muss sich da die ÖVP positionieren, fernab von dem Duell SPÖ gegen FPÖ?

Kurz: Ich glaube, dass es speziell in Krisenzeiten honoriert wird, wenn eine Partei Wirtschaftskompetenz hat. Das hat die ÖVP, und das spricht ihr auch keiner wirklich ab. Grundsätzlich positioniert sich die Wiener ÖVP als visionäre Kraft mit neuen Ideen für Wien, die einen vernünftigen Weg vertritt. Wir machen keine rechte Effekthascherei oder schreien Hassparolen, aber wir machen auch keine linke Schönredepolitik.

derStandard.at: Immer mehr Politiker versuchen im Internet Stimmen von Jungen zu gewinnen. Finden Sie das gut oder eher peinlich?

Kurz: Kommt darauf an, ob man es authentisch nutzt. Dass man das Internet als Medium nutzt, find ich prinzipiell gescheit. Dass Parteien eine Homepage haben genauso, wenn allerdings Politiker auf StudiVZ sind, nur weil eben gerade Wahlkampf ist, dann ist das peinlich.

derStandard.at: Wilhelm Molterer hat im Wahlkampf getwittert.

Kurz: War peinlich.

derStandard.at: Laura Rudas hat auf Facebook mehr als 1000 Freunde.

Kurz: Sie hat auch eine eigene Mitarbeiterin, die ihren Facebook-Account führt. Das ist ein Weg, ich akzeptiere den, aber es ist nicht mein Weg. Ich bin auf Facebook und auf StudiVZ, habe dort aber meinen privaten Freundeskreis. Natürlich nutzt man das dann auch im Wahlkampf. Ich hab bei der Nationalratswahl einen Vorzugsstimmenwahlkampf geführt. Da habe ich diese Medien sehr stark verwendet.

derStandard.at: Fehlt der ÖVP jemand wie Laura Rudas, jemand Junger in einer Spitzenposition?

Kurz: Das kommt darauf an, wie man es anlegt. Jung zu sein, ist zu wenig. Das Schlechteste, was eine Partei machen kann, ist ein Vorzeigejugendliche vorne hinzustellen, die jung wirkt, aber nur ein guter Verkäufer für alte Botschaften ist.

derStandard.at: Gibt es Dinge in der ÖVP, bei denen Sie sagen: Das passt mir überhaupt nicht!?

Kurz: Die ÖVP würde gut daran tun, junge Menschen stärker einzubinden und ihnen eine Chance zu geben. Dasselbe muss man über Frauen sagen.

derStandard.at: Was bedeutet konservativ für Sie?

Kurz: Konservativ in meinem Sprachgebrauch bedeutet Gutes bewahren, und überall dort, wo es noch nicht passt, auf Weiterentwicklung zu drängen. So sehe ich auch die Rolle der Jungen ÖVP und der Wiener ÖVP.

derStandard.at: Würden sie sich selber als konservativ bezeichnen?

Kurz: Unter dieser Definition schon. Konservativ im landläufigen Sinn, der so einen verstaubten Beigeschmack hat, bin ich sicher nicht. Ich glaube, unter den Jungen gibt es viele progressive Konservative, auch wenn das im ersten Moment wie ein Widerspruch klingt.

derStandard.at: Welche Dinge sind es denn für Sie wert, bewahrt zu werden?

Kurz: Ich halte sehr viel von Eltern, die sich aktiv um ihre Kinder kümmern, also Familienwerte. Auch Solidarität ist mir wichtig, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Das sind für mich konservative Werte, die alles andere als verstaubt sind.

derStandard.at: Im Mai sind ÖH-Wahlen. Haben Sie schon eine Bürgerkarte?

Kurz: Ja, die ist schon freigeschaltet, ich hab sie sogar mit. Ich werde via E-Voting wählen.

derStandard.at: Keine Datenschutzbedenken?

Kurz: Nein. Grundsätzlich kann man natürlich bei allem kritisch sein. Da hab ich vollstes Verständnis dafür. Aber es ist total überzogen. Die ÖH macht jetzt eine Gegen-Evoting-Kampagne und gibt zwei Drittel ihres Gesamtbudgets dafür aus. Das ist eine Frechheit, denn die große Mehrzahl der Studenten steht dem positiv gegenüber. Die ÖH vergeudet die ÖH-Beiträge.

derStandard.at: Sollte man E-Voting dann auch ausweiten – auf Gemeinderatswahlebene, bei Nationalratswahlen?

Kurz: Sicher. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, warum die Briefwahl gestattet sein sollte und das E-Voting nicht. Ich glaube zwar nicht, dass E-Voting des Rätsels Lösung ist, wie man die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen rasant steigern kann, aber es ist eine zusätzliche Serviceleistung. Als solche finde ich es sehr angebracht. Man sollte es den Menschen möglichst leicht machen, sich politisch zu beteiligen. (derStandard.at, 7.4.2009)