Zürich/München - Die NATO-Strategie in Afghanistan und der durch Raketenangriffe gestörte Truppenbesuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel werden am Dienstag von der internationalen Presse kommentiert:

"Neue Zürcher Zeitung" (NZZ): "Nach den vielen Worten beim Jubiläumstreffen der NATO in Straßburg warb Merkel am Montag gleichsam mit Taten für das, was sie vor Kurzem etwas vollmundig als neue, ja 'revolutionäre' NATO-Strategie präsentiert hatte. Durch Plädoyers für eine vermehrte Zusammenarbeit mit der UNO und Nichtregierungsorganisationen hofft Berlin, auf der einen Seite den starken innenpolitischen Widerstand gegen ein militärisches Engagement deutscher Truppen im Ausland zu parieren und auf der anderen Seite die Amerikaner zu besänftigen, die darauf erpicht sind, die Europäer vermehrt in den militärischen Kampf gegen den Terror einzubeziehen. Erfolg hatten sie damit keinen. Sowohl Merkel wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy betonten, sie täten genug, und mit ihren Ausführungen machte Merkel noch einmal klar, dass sie am in Straßburg skizzierten Kurs festzuhalten gedenkt."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Der Westen kann in Afghanistan nicht gewinnen. Von Anfang an wurden zwei gravierende Fehler gemacht - auf die auch die neue NATO-Strategie keine Antwort gibt. Das Grundproblem Afghanistans, die Entwicklung einer stabilen Friedensökonomie und die Herausbildung einer leidlich korruptionsresistenten Elite, wird damit nicht angegangen. Der Strategiewechsel kann dafür sorgen, dass die NATO-Truppen den Krieg militärisch nicht verlieren. Aber er wird kaum dazu führen, dass sie ihn politisch gewinnen. (...) Dass die Sowjets in Afghanistan gescheitert waren, wurde kurzerhand damit erklärt, dass sie die Unfreiheit mit sich gebracht hätten und damit auf den erbitterten Widerstrand eines freiheitsliebenden Volkes gestoßen seien. Man hätte es besser wissen können: Die Rolle der Sowjets in Afghanistan war nämlich zunächst die eines Unterstützers bei der sozialen und kulturellen Modernisierung des Landes. (...) Der Schlüssel für die Stabilisierung Afghanistans liegt in Pakistan. Ein Strategiewechsel, der Aussichten auf Erfolg haben soll, muss dies berücksichtigen. Das pakistanische Grenzgebiet zu pazifizieren wird jedoch große Klugheit und viel Geld erfordern. Die bislang geübte Praxis, mit gelegentlichen Militärschlägen die dortigen Taliban-Zentren zu attackieren, dürfte eher kontraproduktiv sein. Eine Strategie der bloßen Stabilisierung Afghanistans wird jedenfalls ganz anders aussehen als das ursprüngliche Konzept, das auf politische Demokratisierung und gesellschaftliche Modernisierung setzte. Insofern ist der jetzt angekündigte Strategiewechsel selbst eine kleine Exit-Strategie."

"Kölner Stadt-Anzeiger":

"Man muss sich fragen, worauf Angela Merkel ihre Zuversicht aufbaut. Die Lage in Afghanistan gibt den Optimismus nicht her. Und Barack Obamas schöner neuer Plan mit vielen zusätzlichen Soldaten und noch mehr ziviler Hilfe muss sich erst einmal bewähren. Natürlich darf Berlin sich freuen, weil Washington den 'vernetzten Ansatz' aus militärischem und zivilem Programm entdeckt hat, den die Bundesregierung seit Jahren am Hindukusch verfolgt. Erstmals seit langem gibt es nun eine Perspektive, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Aber Obamas Plan kann nur funktionieren, wenn auch die Verbündeten ihren Teil beitragen. Sollte Merkels Besuch das Zeichen setzen, dass auch die Bundesregierung das einsieht und entsprechend will, hätte sich die Visite gelohnt. Andernfalls wäre sie besser zu Hause geblieben." (APA/dpa/AFP)