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Käse ist einer der Übeltäter bei Nahrungsmittelintoleranz

Foto: APA/Georg Hochmuth

Jeder Zweite, der glaubt unter einer Nahrungsmittelallergie zu leiden, ist gar nicht allergisch - zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie der Universität Würzburg. Die Folge: Die Lebensqualität vermeintlicher Allergiker kann extrem eingeschränkt sein, weil sie viele Nahrungsmittel meiden und Ängste aufkommen. Was viele nicht wissen: tatsächlich handelt es sich in den meisten Fällen vielmehr um Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten.

"Die Nahrungsmittel-Allergie ist in erster Linie eine Kinderkrankheit, die mit dem Volksschulalter verschwindet und nur selten bei Erwachsenen auftritt", bestätigt Allergieexperte Reinhart Jarisch vom Floridsdorfer Allergie Zentrum die Studienergebnisse. Laut dem Mediziner sind gar nur ein Prozent der Bevölkerung von der juvenilen (kindlichen, Anm.) Nahrungsmittel-Allergie betroffen. Andere Schätzungen gehen von zwei bis drei Prozent bei den Erwachsenen aus, sechs bis acht Prozent bei Kindern. Viel häufiger kommt es allerdings zu Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten bei Erwachsenen - auch im Rahmen von Pollenallergien mit Kreuzreaktionen zu Obst und Gemüse. Das Problem: die Symptome ähneln jenen der Allergie mit dem Unterschied, dass bei Intoleranzen das Immunsystem nicht beteiligt ist.

Fruktose, Histamine und Laktose

Die Hitliste der Nahrungsmittel-Intoleranzen lautet Fruktose-, Histamin-, und Laktose-Unverträglichkeit. Die Beschwerden äußern sich in Darmbeschwerden wie Blähungen, Blähbauch und Durchfall. Die genauen Ursachemechanismen von Intoleranzen sind Medizinern bis heute nicht vollständig bekannt. Jarisch vermutet, dass psychosomatische Ursachen im Vordergrund stehen, weil eine kürzlich durchgeführte Studie unter Reizdarmpatienten zeigte, dass eine Plazebo-Diät genau so positive Ergebnisse erzielte wie eine Laktose- oder Fruktose-Diät.

Schwierige Assoziation

"Bei den Histaminen macht die Dosis das Gift", weiß Jarisch, "denn Histamine haben neben pathologischen Funktionen auch notwendige physiologische Funktionen wie die Magensaftsekretion oder als Neurotransmitter." Wird es pathologisch, bekommen die Betroffenen bekannte Symptome wie Kopfschmerzen, Rötungen im Gesicht, angeschwollene Unterlider, Probleme mit der Nase bis hin zu Herzrasen und Durchfällen. Auslöser unter den Nahrungsmitteln sind allen voran Rotweine, Käse, Fischprodukte und manche Gemüsearten. Ein und dasselbe Lebensmittel kann aber einen unterschiedlichen Histamingehalt haben. Daher ist es schwierig die Symptome damit zu assoziieren. Zum Beispiel variiert der Histamingehalt von Rotweinen extrem - manche Rebsorten lösen also Reaktionen aus, manche nicht. Dasselbe gilt für viele andere Lebensmittel.

Diagnose

"Die beste Diagnosestellung gelingt über die so genannte 'negative Provokation'", so der Allergieexperte. Mittels histaminfreier Diät wird dabei die Zufuhr von Histamin verhindert. "Hat der Patient tatsächlich eine Histamin-Intoleranz, verbessern sich die Symptome, ansonsten bleiben die klinischen Beschwerden gleich." Dermatologen setzen als radikalste Variante der histaminfreien Diät die Reis-Kartoffel-Diät ein, denn Krankheiten wie Nesselsucht oder Neurodermitis stehen manchmal mit einer Intoleranz in Verbindung.

Immer beliebter werden auch komplementärmedizinische Verfahren zur Diagnosestellung wie die Bioresonanz. "Alles Lüge", ist Jarisch überzeugt, er hält von komplementärmedizinischen Verfahren zur Diagnose von Nahrungsmittel-Allergien gar nichts. "Ich kann herausfinden ob ein Patient zum Beispiel auf Erdnüsse reagiert, weiß aber nicht ob er allergisch ist oder mit Unverträglichkeit reagiert", schränkt auch die Wiener Allgemeinmedizinerin Adriena Stelzig, die Bioresonanz anbietet, die Effizienz des energetischen Verfahrens ein. Für eine genaue Antwort müsse danach schulmedizinisch abgeklärt werden. Auf jeden Fall muss ein Spezialist die Beschwerden abklären, denn eine unentdeckte echte Nahrungsmittel-Allergie kann schlimmstenfalls auch lebensbedrohlich sein. Die Besserung durch komplementärmedizinische Methoden konnte beim Menschen bis jetzt nicht wissenschaftlich fundiert werden.

Therapie und Prävention

Eine strikte allergenfreie Diät kann echten Lebensmittel-Allergikern nach wie vor nicht erspart werden. Die spezifische Immuntherapie, die sich bei Pollen- oder Insektengiftallergie als wirksam erwiesen hat, wird bei richtigen Nahrungsmittelallergien nicht eingesetzt. Als Goldstandard gelten aber Antihistaminika, für Notfälle wird auch Cortison oder Adrenalin verschrieben. (Marietta Türk, derStandard.at, 13.4.2009)