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Kurt Cobain, schon 15 Jahre tot. schon 15 Jahre unsterblich.

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Wien - "Fuck Kurt Cobain and his junkie widow! They never ment shit to us!" So wie die US-Band Killdozer bei einem Wien-Konzert in den 1990ern die Coverversion von Don McLeans American Pie ("The day the music died" ) angekündigt hat, kann man es natürlich auch sehen. Dennoch genießt Kurt Cobain, dessen Todestag sich heute, Mittwoch, zum 15. Mal jährt, Kultstatus. So inflationär dieser Begriff auch Einsatz findet - auf Cobain trifft er zu.

Tatsächlich datierten Gerichtsmediziner den 5.April als eigentlichen Zeitpunkt seines Freitodes, gefunden wurde der Leichnam des Sängers der Band Nirvana allerdings am 8. April - und an diesem Tag ging 1994 das entsetzte Raunen rund um den Globus.

Ob nun Cobain und seine Frau Courtney Love die Wertschätzung von Killdozer genossen haben oder nicht, Cobain war der bislang letzte große Rock-'n'-Roll-Tote. Es gab nach ihm keinen Musiker, dessen Tod - freiwillig oder nicht - derartige Wellen geschlagen hätte. Einmal, weil keine vergleichbare kulturelle Bewegung wie Grunge existiert, die damals, Anfang der 90er, als lautes, tendenziell ungewaschenes und über lange Jahre gewachsenes Monstrum aus dem Underground der 80er-Jahre in den Mainstream einbrach - um von diesem in kürzester Zeit verwertet und entwertet zu werden. Das war gleichzeitig jener Umstand, der Cobain - zusammen mit seiner Drogensucht - in jene Sackgasse trieb, aus der er keinen anderen Ausweg als den historisch bekannten mit der Flinte sah.

Auch die zweite wesentliche Rahmenbedingung zur Erreichung eines Status von Cobain'scher Dimension existiert nicht mehr. In einer Welt der omnipräsenten Information über alles und jeden wird alles und jeder sofort entzaubert, entwertet. Siehe dazu: File-Sharing. Die Magie, das für die Verklärung notwendige Ungewisse, das Geheimnis, das Exklusive - es existiert nicht mehr. Das Internet entmystifiziert unsere Helden in der Sekunde, in der wir sie googeln. Heute besitzt jeder Held eine MySpace-Site, jeder Held ist mit jedem via Facebook befreundet, jeder pflegt seinen Wikipedia-Eintrag mit der Akribie eines Schrebergärtners. Kurt Cobain hätte also auch einige Jahre später an seinen 10.000 besten Facebook-Freunden zerbrechen können, allein, das hat er sich erspart, das blieb ihm erspart.

Geblieben ist von ihm und seiner Band Nirvana ein zwar schlankes, aber okayes musikalisches Erbe. Das Album Smells Like Teen Spirit, das 1991 die Revolution ausgelöst hatte, gilt zu Recht als Klassiker und verkauft sich heute noch an die Jugend zwischen zehn und 80 Jahren, In Utero (1993) ist hingegen immer noch das bessere. Dass damalige Zeitgenossen wie die ebenfalls aus Seattle stammenden Tad oder Mudhoney nachdrücklicher als Nirvana waren, ist auch bekannt. Aber Cobain blieb es vorbehalten, einen Mythos zu hinterlassen. Dazu muss man halt blöderweise früh sterben. Sein Abgang war eine ebenso radikale Zäsur wie sein Auftauchen mit Grunge. Menschlich tragisch, pophistorisch der Schritt zur Unsterblichkeit. Und dann noch mit einem Neil-Young-Zitat im Abschiedsbrief, das wie der feuchte Traum eines Hollywood-Drehbuchautors erscheint: "It's better to burn out, than to fade away." Fast schon kitschig, so viel Stil. (flu, DER STANDARD/Printausgabe, 08.04.2008)