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Zum Jahrestag der ersten zivilen Opfer des Bosnienkriegs auf der Brücke über den Miljacka 1992 warfen Jugendliche in Sarajevo Blumen in den Fluss.

Foto: Reuters/Krstanovic

 Von der Blockade profitiert der Premier der Republika Srpska, Milorad Dodik. 

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Sarajewo/Banja Luka - Was er vom neuen "Hohen Repräsentanten" erwartet? "Nichts", sagt Željko Komšić freimütig. Der 45-jährige Kroate ist einer von drei Staatspräsidenten des Vier-Millionen-Landes. Zwar sei der Neue ein "guter Mann" und ein "ausgezeichneter Diplomat". Aber solange die Mächte hinter ihm nicht einig seien, könne auch der beste Statthalter nichts ausrichten.

Hoffnung ist unter Bosniens kargen Ressourcen zurzeit die knappste. Im vierzehnten Jahr nach Ende des Krieges droht dem Land der stille Kollaps. Die "Föderation" von muslimischen Bosniaken und katholischen Kroaten, eine der beiden Teilrepubliken, ist schon so gut wie pleite. Seit Jahresbeginn kann der Staat keine Gehälter mehr zahlen. Schon um ausstehende Zahlungen aus dem vergangenen Jahr zu begleichen, muss die Regierung mitten in der Finanzkrise bei privaten Banken einen 130-Millionen-Kredit aufnehmen - zu stolzen acht Prozent Zinsen. "Mit dem Staatsbankrott" , sagt ein westlicher Diplomat in Sarajewo, "rechnen die Optimisten spätestens im September." Die Pessimisten erwarten das schon jetzt im April.

"Die Finanzkrise ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt", sagt Präsident Komšić. Hintergrund ist die komplizierte Nachkriegsordnung, die nie wirklich funktioniert hat. Jetzt wirkt sich das administrative Geflecht aus zwei "Entitäten" mit je eigenem Parlament und eigener Regierung, drei "Nationen" mit je eigenem Präsidenten, zehn Kantonen und einer schwachen Zentralregierung wieder verheerend aus: Um aus dem Gröbsten herauszukommen, bräuchte das Land einen Kredit vom Weltwährungsfonds (IWF). Der IWF jedoch verhandelt nur mit souveränen Staaten.

Die Zentralregierung aber braucht für Darlehen die Zustimmung nicht nur der Föderation, sondern auch der Republik Srpska. Die wiederum denkt gar nicht daran. Zwar steht Srpska ökonomisch kaum besser da als die Föderation, aber seit der Privatisierung der Telekom vor zwei Jahren ist im serbischen Landesteil immerhin die Staatskasse gut gefüllt - eine Gelegenheit für den Srpska-Premier Milorad Dodik, mit seiner Vetomacht Punkte zu machen.

Der Österreicher Valentin Inzko ist seit 1995 der siebte Statthalter der internationalen Gemeinschaft in dem zerstrittenen Nachkriegsland - und schon der dritte, der gern der letzte in seinem Amt sein möchte. Seit Jahren will der "Friedensrat" aus 55 aufsichtführenden Staaten den allmächtigen Schiedsrichter zurückziehen und durch einen EU-Beauftragten mit weit schwächeren Vollmachten ersetzen. "Aber das geht nicht" , sagt Haris Silajdzić, der Bosniake unter den drei Präsidenten: "Wir brauchen ihn." Offiziell kann der "Hohe Repräsentant" Gesetze erlassen und außer Kraft setzen sowie gewählte Mandatsträger einfach absetzen. Aber schon die beiden letzten, der Slowake Miroslav Lajèák und der Deutsche Christian Schwarz-Schilling, haben nur im Notfall noch eingegriffen.

Profitiert hat von der Laisser-faire-Politik der machtbewusste Dodik. Die Medien in Banja Luka stützen ihn; der kritische Journalist Slobodan Vasković, der in Trebinje einen Korruptionsfall recherchieren wollte, sah sich kürzlich einer Gruppe gewaltbereiter junger Männer gegenüber. Druck quittiert Dodik mit Drohungen: Mal kündigt er eine Volksabstimmung an, mal droht er, die serbischen Politiker und Beamten aus der Zentralregierung zurückzuziehen. Er erreicht damit, dass niemand mehr von einer großen Verfassungsreform träumen mag, die der ständigen Blockade ein Ende bereiten könnte. Selbst der Bosniaken-Präsident Silajdzić, der die Serben immer wieder mit Forderungen nach Aufhebung ihrer Autonomie erschreckt, hat resigniert. "Die Menschen, die hier leben, sind ja nicht nur Bosniaken, Serben oder Kroaten" , wiederholt er müde: "Sie sind in erster Linie Bürger." (Norbert Mappes-Niediek/DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2009)