
Lucia Aronica war immer schon neugierig. Dafür bekam sie nun einen Preis.
Strahlende Augen, ausholende Gesten, blonder Lockenkopf und eine violette Blume in der Hand - die 28-jährige Wissenschafterin Lucia Aronica machte sich gut auf der Bühne. Überzeugt hat sie die Jury des diesjährigen Wettbewerbs Famelab, bei dem junge Wissenschafter aus ganz Österreich ihre Forschungsprojekte in fünf Minuten publikumswirksam präsentieren mussten, aber nicht nur mit ihrer Performance. Ihr Forschungsbereich, seine Aktualität und Relevanz, war wohl ausschlaggebend dafür, dass die Entscheidung am vergangenen Samstag im Technischen Museum auf die Italienerin fiel. Sie soll Österreich beim International Science Festival im britischen Cheltenham vertreten.
Aronicas Forschungsgebiet ist die RNA-Interferenz (RNAi). Das ist der natürliche Mechanismus der Genregulation bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Wie die DNA trägt auch die RNA Erbinformationen, bestimmt beispielsweise bei Pflanzen die Blütenbildung, bei Tieren die Fellfarbe, bei Menschen den Herzschlag.
Wissenschafter sind davon überzeugt, dass die RNAi medizinisch genützt werden kann: So könne man damit Krankheiten wie Krebs, Aids oder Diabetes auf der Molekularebene behandeln. Das "Wie" möchte Aronica nun herausfin- den. Ihre Erklärung für die RNA: Sie hat auch ein zweites Gesicht, wie Dr. Jekyll das des Mr. Hyde.
Denn die RNAi legt Gene still, was dazu führt, dass nur jene Gene in Proteine übersetzt werden, die in der Zelle benötigt werden. Was, wenn man das anhand einer Blume erklärt, so viel heißt wie: Eine violette Blume wird durch mehr "Violett-Gene" nicht "violetter". Wenn die RNAi fehlerhaft wird, kann ein gefährliches Gen, ein Krebs-Gen etwa, zu aktiv werden. "Und dann werden wir krank", sagt Aronica.
Die Lösung: "Man kann Kopien der RNAi künstlich herstellen, damit das Krebs-Gen hemmen und die Krankheit heilen." Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Das Phänomen wurde erst 1998 von Andrew Fire und Craig Mello entdeckt, acht Jahre später wurden die Forscher mit dem Medizin- Nobelpreis belohnt.
"Das ist ein kompliziertes Phänomen mit einem komplizierten Namen", sagt Lucia Aronica, seit zwei Jahren Doktorandin am Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Kompliziertes hat sie aber noch nie abgeschreckt. Denn es sah gar nicht danach aus, dass die Neapolitanerin eine naturwissenschaftliche Karriere machen würde: "Ich habe eine humanistische Ausbildung, habe in der Schule Latein und Griechisch gelernt und bin auch auf Philosophie-Olympiaden gefahren." Doch irgendwann wollte sie etwas komplett anderes machen und entschied sich für Molekularbiologie. "Es war einfach Neugier. Forschung ist jeden Tag anders: Sich selbst eine Frage stellen und sie selbst beantworten können, das ist das wirklich Spannende." (Marijana Miljkovic/STANDARD, Printausgabe, 08.04.2009)