Wien - Der serbische Präsident Boris Tadic sieht sein Land als "Teil der Lösung" für die Probleme auf dem Westbalkan. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Werner Faymann am Dienstag in Wien verwies Tadic auf die politische Stabilität, die Erfolge bei der Bekämpfung von Kriminalität und Korruption sowie den wirtschaftlichen Aufschwung in seinem Land. Auch stelle Serbien die Grenzen der anderen Balkan-Staaten nicht infrage, sagte er mit Blick auf die Abspaltungstendenzen in der bosnischen Serbenrepublik.
"Serbien ist nicht mehr wie in den 1990er Jahren (zur Zeit des damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, Anm.) ein Problem auf dem Westbalkan. Heute ist Serbien ein Teil der Lösung", betonte Tadic. So habe sich das Durchschnittseinkommen in Serbien seit dem Sturz von Milosevic im Jahr 2000 von 40 auf 400 Euro verzehnfacht, und das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in den vergangenen sechs Jahren betrug sechs Prozent jährlich, berichtete der Präsident. Auch habe Serbien heute eine Regierungskoalition, "die als wichtigstes strategisches Ziel die EU-Integration ansieht".
Territoriale Integrität
Im Streit um die Unabhängigkeit des Kosovo bekräftigte Tadic die serbische Ablehnung. "Serbien verzichtet nicht auf seine territoriale Integrität im Kosovo", betonte der serbische Präsident. Belgrad habe sich in den Gesprächen mit den Vertretern der albanischen Bevölkerungsmehrheit "sehr flexibel" gezeigt und ihr "höchstmögliche politische Selbstständigkeit" angeboten, "ohne dass die Grenzen geändert werden müssen". Die territoriale Unversehrtheit Serbiens sei nämlich durch die UNO-Charta und die UNO-Resolution 1244 zum Kosovo "gesichert", betonte er.
Belgrad sei weiterhin "bereit, eine Lösung für den Kosovo anzugehen", wobei es seine Interessen auf friedliche und demokratische Weise vertreten werde. Durch die Beantragung eines Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur Unabhängigkeit des Kosovo im vergangenen Herbst sei die Angelegenheit schon von einer politischen auf eine rechtliche Ebene gehoben worden, erinnerte der serbische Präsident. Österreich gehört zu jenen Staaten, die die im Februar des Vorjahres einseitig ausgerufene Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt haben.
Inbezug auf die EU-Annäherung Serbiens sagte Tadic, dass sein Land "auf die Unterstützung Österreichs zählt". Schließlich seien die beiden Staaten wirtschaftlich sehr eng verflochten. Mit zwei Mrd. US-Dollar (1,51 Mrd. Euro) sei Österreich der größte Auslandsinvestor in Serbien und auch die größten serbischen Banken seien in österreichischer Hand. Umgekehrt leben mindestens 200.000 Serben in Österreich, die zum Teil schon vor einem halben Jahrhundert ins Land gekommen seien und sich sehr gut integriert hätten. "Österreich ist für Serbien ein Nachbarland, obwohl wir keine gemeinsame Grenze haben", betonte Tadic.
Auch Faymann zeigte sich "sehr stolz" auf die engen österreichisch-serbischen Wirtschaftsbeziehungen. In der derzeitigen Wirtschaftskrise sei eine enge Abstimmung besonders wichtig, nicht nur zur Lösung der anstehenden Probleme, sondern auch, um dann gemeinsam Möglichkeiten während des kommenden Konjunkturaufschwungs zu nutzen. Der Kanzler bekräftigte die Unterstützung Österreichs für die EU-Annäherung Serbiens. "Diese Unterstützung war eine Tradition und soll auch in Zukunft so bestehenbleiben und fortgesetzt werden", betonte der Kanzler. Das betreffe auch die bevorstehenden EU-Entscheidungen zur Aufhebung der Visapflicht für serbische Bürger.
Tadic war zum Auftakt seines Wien-Besuchs von Bundespräsident Heinz Fischer zu einem informellen Arbeitsessen empfangen worden. Fischer würdigte dabei die Reformschritte Serbiens in den vergangenen Monaten und sagte Tadic "bestmögliche Unterstützung Österreichs auf dem Weg Serbiens in die EU zu", teilte die Präsidentschaftskanzlei im Anschluss an das Treffen mit. So sei Wien dafür, das Interimsabkommen zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zwischen der EU und Serbien "bald" in Kraft zu setzen. Auch würden die österreichischen Firmen und Banken ihr Engagement in Serbien "sicherlich weiter aufrechterhalten", versicherte Fischer. Tadic berichtete nach dem Gespräch mit Faymann auch von entsprechenden Zusicherungen des Kanzlers. (APA)