Liebe in bewegten Zeiten: Maxime (Patrick Bruel) und seine Frau Tania (Cécile de France) in Claude Millers "Ein Geheimnis".

 

 

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Patrick Bruel (49), geboren in Tlemcen (französisches Algerien) wuchs in Paris auf. Seit Anfang der 80er-Jahre verfolgt er seine Sänger- und Schauspielkarriere parallel. Seine Platten verkauften sich bis zu drei Millionen Mal.

 

 

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"Un Secret" breitet die verdrängte Geschichte einer jüdischen Familie während der Okkupation Frankreichs aus. Mit Millers Hauptdarsteller Patrick Bruel sprach Dominik Kamalzadeh.


Die Vergangenheit der Kriegsjahre leuchtet in kräftigen Farben, während die Gegenwart in nüchternem Schwarzweiß gehalten ist: Es ist nicht das einzige Verwirrspiel, das der französische Regie-Altmeister Claude Miller in Ein Geheimnis (Un secret) betreibt. Der Film, der auf dem gleichnamigen Buch von Philippe Grimbert basiert, ist ein kunstvoll verschachteltes Drama um eine jüdische Familie, die die Zeit der Okkupation Frankreichs irritierend unbehelligt durchlebt. Patrick Bruel, in Frankreich ein Star in mehreren Disziplinen, spielt Maxime, das Familienoberhaupt, das seinem Sohn François ein Lebenskapitel vorenthält.

Standard: Claude Miller soll gesagt haben, er habe Sie deshalb engagiert, weil Sie ein Babyface hätten - das würde helfen, die Alterstufen Ihrer Figur zu verkörpern.

Bruel: Ja, das stimmt. Die Spannbreite reicht von 25 Jahren bis ins Alter von 80. Letzteres lässt sich mit Schminke machen, aber mit 25 geht das nicht so gut. Aber Miller wusste auch, dass ich die Buchvorlage von Philipp Grimbert sehr schätze, und als ich ihm das erzählte, sagte er nur: "Ah, bon!"

Standard: Maxime ist Jude - interessant ist der Umstand, dass er mit dem Bild des Juden als Opfer bricht. Er ist sehr körperbetont und bekämpft seine Identität. Wie sehen Sie sein Verhältnis zum Judentum?

Bruel: Maxime ist Sportler, er strahlt Stärke aus, und er weiß auch, was ihm als Jude zu dieser Zeit droht. Er ist davon überzeugt, dass er den Judenstern nicht aufheften darf. Er möchte es nicht repräsentieren, ohne dabei das eigene Jüdischsein zu verheimlichen. Nur weil Jude zu sein zu dieser Zeit bedeutet, dass man leiden muss, lehnt er es ab. Auf der anderen Seite identifiziert er sich sehr wohl damit - als er sehen muss, wie seine Familie immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.

Standard: Ein Geheimnis bricht mit verschiedenen Konventionen von Filmen, die sich dem Schicksal von Juden während des Nationalsozialismus widmen. Es gibt Sexszenen, Bilder der Liebe, ja sogar eine Form von familiärer Idylle während der Kriegszeit. Hat Sie das für die Rolle eingenommen?

Bruel: Darin liegt die Vision von Claude Miller! Er wollte zeigen, dass diese Menschen trotz der Kriegszeit weiter leben und dass sie ihre Liebesgeschichten hatten, dass es Sex gab und große Geldnot - alles Dinge, die auch zu einem Alltag gehören. Die meisten Filme über diese Zeit sind historische Filme, doch in diesem Film liegt der Fokus auf einer Familie und ihren Problemen, auf einem Drama, dass sich innerhalb der Familie vollzieht. Das ist nicht ein Film mehr über die Shoah.

Standard: Das moralische Problem Maximes liegt in einem Geheimnis. Es gibt eine zweite Familie, deren Schicksal verschwiegen wurde.

Bruel: Maxime hat ein erstes Leben gehabt, mit einem Kind, das er verloren hat. Und egal welches Kind auf dieses folgt, es muss den Vergleich mit dem ersten über sich ergehen lassen. Das erste Kind ist sportlich, kräftig, ein sonniges Gemüt; das zweite ist schwach, introvertiert, verstört. Doch selbst wenn es umgekehrt wäre, würde Maxime vergleichen. Da es diese Erinnerung gibt - sie ist es, die ihn peinigt und die er als Schuld erfährt. Doch natürlich ist nicht er daran schuld, sondern die Ereignisse der damaligen Zeit sind es, die Nazis.

Standard: In Frankreich sind Sie als Chansonnier ein Star. Ist das Kino eine Art zweite Liebe?

Bruel: Ich bin beides zugleich, Schauspieler und Chansonnier. Deswegen habe ich auch nicht das Image eines Sängers, der schauspielert. Davor hatte ich immer Angst, weil es ein Stigma ist. Ich kann natürlich nicht drei, vier Filme im Jahr drehen, weil ich oft auf Tour bin. Aber ich bin daran gewöhnt, viele Dinge auf einmal zu tun - ich habe auch noch Kinder, eine große Herausforderung! Filme suche ich nach Drehbüchern und Regisseuren aus - wenn beides stimmt, und das ist gar nicht so oft der Fall, versuche ich zuzusagen.

Standard: Claude Chabrol, Sidney Pollack, Claude Lelouch - Sie haben gute Leute gewählt ...

Bruel: Ich drehe durchaus auch gerne mit jungen Regisseuren. Als Schauspieler möchte ich vor allem überrascht werden - auch von mir selbst. Ich möchte Risiken eingehen und auf nichts festgelegt sein.

Standard: Wer ist Ihnen besonders gut in Erinnerung geblieben?

Bruel: Pollack. Er hat mir gesagt, ich solle nie erklären, was ich tue. Das ist ein sehr wichtiger Satz für Schauspieler. Wenn du spielst, genügt das schon.

Standard: Sie sind auch ein sehr guter Pokerspieler: Sie haben also nicht nur ein Babyface, sondern auch ein Pokerface?

Bruel: (lacht) Ich habe eigentlich mit Schach begonnen, aber Schritt für Schritt ist daraus eine Pokerleidenschaft geworden. Ich habe sogar ein Turnier in Las Vegas gewonnen! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.4.2009)