Der Jubel der Autohändler und Politiker über den „Erfolg" der Verschrottungsprämie ist beängstigend. Die Verlängerung der Maßnahme in Deutschland noch viel mehr. Die Autoindustrie mag zwar nicht so kaputt sein wie die Finanzindustrie, die ohne die Fantastilliarden an Staatshilfen längst zusammengekracht wäre. Die Autoindustrie ist sich aber auch nicht zu schade, sich vom Staat das Geschäft zumindest teilweise finanzieren zu lassen. In den USA übernimmt die Administration Barack Obamas gar die Quasiführung bei zwei von drei Autokonzernen - „Government Motors" lautet mittlerweile der Spottname des einst größten Fahrzeugbauers der Welt, GM.
Gelernt dürften die Autohersteller nicht viel haben. Mitten in der Krise, in der vom US-Präsident abwärts alle ein Umdenken in der Modellpolitik fordern, präsentieren die Chrysler-Mannen mit stolzgeschwellter Brust einen weiteren Riesengeländewagen, der mindestens zwölf Liter Sprit auf hundert Kilometer wegsteckt.
"Das ist ein sehr wichtiges Fahrzeug für uns", verteidigt man sich auf der New Yorker Automesse. Die Kunden hätten Chrysler signalisiert, dass sie das Auto wollten und dass es die richtige Größe habe, man verdiene damit Geld. Mag sein. Von der Symbolik her sind derartige Anekdoten aber genauso bezeichnend für den Gemütszustand einer ganzen Industrie wie jene, als die Chefs der früheren Big Three aus Detroit mit ihren Firmenjets nach Washington flogen, um vom US-Kongress Zigmilliarden an Steuergeld zu fordern.
Das anschwellende Frohlocken über die Verschrottungsprämien, die viele Staaten einführten, ist ebenso entlarvend. Denn es zeigt die Perspektivenlosigkeit auf. Eine ganze Branche, die sich als Problemlöser für Mobilitäts- und Logistikbedürfnisse preist, funktioniert nur bei Schönwetter reibungslos. Krisen werden als Schlechtwetter angesehen, das vorüberzieht. Verschrottungsprämien sind Schirme, die der Staat bezahlt. Warum das ausgerechnet bei der Fahrzeuge zusammenschraubenden Industrie so sein muss, konnte noch nicht schlüssig erklärt werden. Sicher, das Auto ist ein komplexes Produkt aus Stahl und Plastik, aus Mechanik und Elektronik, an dem über die Wertschöpfungskette viele andere Industrien hängen.
Die Kfz-Industrie bringt auch eine Menge an Forschung und Entwicklung hervor, die auch anderen Branchen zugute kommt - etwa über die Werkstofftechnik. Doch der Staat kann hier nicht ad infinitum subventionieren. Abgesehen davon wird auch das Potenzial der Vorziehkäufe, die über Verschrottungsprämien ausgelöst werden, eher früher als später erschöpft sein.
Klar ist: Die Staaten müssen ihre Finanzsysteme mit Abermilliarden an Garantien und Haftungen stützen, denn für das Funktionieren einer Marktwirtschaft müssen die Geldverleiher gesund sein. Diese erwiesen sich zuletzt als pathologisch verantwortungslos, was über neue Regulierungen künftig verhindert werden muss. Hier wird man das richtige Maß noch finden müssen, aber einen anderen Weg gibt es nicht.
Den Autofirmen hingegen Abermilliarden (in Österreich bisher vergleichsweise schlanke 22,5 Millionen Euro) nachzuwerfen, ohne irgendwelche Auflagen, nur vordergründig mit dem grünen Mäntelchen umgehängt, ist künftigen Generationen gegenüber unverantwortlich. Sie haben die Schulden, die Staaten dafür aufnehmen müssen, zu begleichen. Und die Nachkommenschaft wird dann ihre Großeltern fragen: "Wie kommt es, dass ihr damals, in der Zeit der großen Krise zwischen den Jahren 2008 und 2010, den Automobilmultis nicht beinhart vorgeschrieben habt, sparsamere und effizientere Autos zu forcieren? Damals hättet ihr die Chance gehabt." (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.4.2009)