
U-Bahn-Fahrer, Familienvater und vor 20 Jahren Vergewaltiger: Josef Hader in "Ein halbes Leben", Freitag, 20.15 Uhr, ORF 2.
Die Begegnung zwischen einem Mörder, der nach 20 Jahren für sein Verbrechen bestraft wird, und dem Vater des Opfers zeigt "Ein halbes Leben", Freitag im ORF. Josef Haders Leistung als reuiger Triebtäter ragt heraus.
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Wien - Manchmal ist jedes Wort zu viel: "Auf einmal war sie tot", gesteht Ulrich Lenz seiner Braut. Die zwei planen Hochzeit, sind beim Zusammenstellen der Hochzeitsliste. Plötzlich kann er nicht mehr anders, und es bricht aus ihm heraus. Die Vergewaltigung damals, weißt eh - ja, sie wisse, er habe ihr das schon einmal erzählt, und es sei okay. Es kommt schlimmer: Ja, aber da gab es eine zweite. Mit tödlichem Ausgang, und der Täter - also er, Lenz, - wurde nie gefasst.
Sympathie für den Mörder weckt Nikolaus Leytner im ORF-Drama Ein halbes Leben (Freitag, 20.15 Uhr, ORF 2). Jahrelang führt der Vergewaltiger ein völlig normales Leben als U-Bahn-Fahrer, er gründet eine Familie, während der Vater des Opfers (Matthias Habich) durch die Hölle geht und den ungesühnten Mord nicht ertragen kann. Mit neuen Analysemethoden wird es schließlich eng für den wieder eingegliederten Mörder.
Hader überzeugt
Den stellt Josef Hader mit überzeugender Zurückhaltung dar. Wie spielt man einen scheinbar geläuterten Verbrecher? "Gerade bei so einer Figur gibt es Dinge, die man letztlich verstehen muss", sagt Hader. "Wo man sich aber nicht so auskennt, wie das mit Menschen ist, die plötzliche Gewaltausbrüche haben. Da recherchiert man."
Hader hat nach Gesprächen versucht, eine Erklärung für sich zu finden: Der Mörder in Ein halbes Leben sei letztlich "ein sehr weicher Mensch, der die ganze Aggression sammelt. Weil er dauernd zu allem ,Ja' und ,Amen' gesagt hat. Diese Energie staut sich auf und ist plötzlich unkontrolliert draußen." ORF-Spielfilmchef Heinrich Mis sieht Ein halbes Leben als "Anti- CSI": "In diesen Formaten kommt der Täter nicht vor, wir wollten gegensteuern." Die Idee zum Film brachte ein Spiegel-Artikel über einen Rechtsmediziner mit einem ähnlichen Fall in den 80er-Jahren. Es gab einen Verdächtigen, die Vergewaltigung konnte nicht nachgewiesen werden.
Bis die DNA-Tests schließlich ausgereift genug waren. Nach 20 Jahren wurde der Mörder gefasst und verurteilt.
Glaubwürdigkeitsmängel
"Das hat mich so nicht interessiert", sagt Regisseur und Drehbuchautor Nikolaus Leytner (Die Geschworene). Ein ehrgeiziger Gerichtsmediziner auf Mörderjagd ist Leytner "zu sehr CSI". Ihm ging es um die Begegnung zwischen dem Vater des Opfers und dem Vergewaltiger. Während Haders Schauspiel überzeugt, leidet der Film freilich an schweren Glaubwürdigkeitsmängeln. Nicht hinreichend erklärt wird etwa, warum die Mutter auffallend gelassen mit der Vergewaltigung und Ermordung ihres Kindes umgeht. Wer sich solche Schwächen ersparen will, dem sei Matthias Glasners Der freie Wille empfohlen. Unerbittlich folgt die Kamera dem Parallelllauf zwischen einem Vergewaltiger, der seine Strafe abgesessen hat, und einer von ihrem Vater sexuell missbrauchten Frau. Zu sehen auf Arte, am 22. April, 23.30 Uhr. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 9.4.2009)