Trotz Präsident Obamas großen Erfolgs bei den Menschen von Prag bis Istanbul war diese Woche keine glückliche Zeit für jene, die an die europäische Solidarität und an die Zukunft Mittel- und Osteuropas glauben möchten. Wie präsentiert sich diese Europäische Union inmitten einer globalen Finanzkrise?
Die tschechische Ratspräsidentschaft entpuppt sich als eine der peinlichsten Episoden in der Geschichte der europäischen Integration. Die um Macht und Pfründe kämpfenden Provinzpolitiker in Prag konnten nicht einmal bis zum Ende der EU-Präsidentschaft warten, um den unglücklich agierenden Ministerpräsidenten Topolánek mithilfe des europakritischen Präsidenten Václav Klaus aus dem Sattel zu heben. Dass dazu auch die wichtigsten und im Ausland geschätzten Regierungsmitglieder - Außenminister Schwarzenberg und Europa-Minister Vondra - bald über die Klinge springen müssen, zeigt vor aller Welt, wie chaotisch die Zustände sind.
Ab 9. Mai soll nun ein international total unerfahrener Statistiker als Chef der Übergangsregierung und auch als amtierender Ratsvorsitzender der EU wirken. Dass der nationalbetonte Klaus höchst zufrieden ist, ohne Konkurrenz bis zu den vorzeitigen Wahlen zum 15. Oktober schalten und walten zu können, mag persönlich verständlich sein, ruft jedoch kaum Begeisterungsstürme in Brüssel hervor.
In der benachbarten Slowakei spürt man den starken Vormarsch der Nationalisten. Im zweiten Wahlgang gelang es dem farblosen Präsidenten Ivan Gasparoviæ gegen die liberal-konservative und in der brisanten Minderheitenfrage tolerante Soziologieprofessorin Iveta Radièová für eine zweite Amtszeit gewählt zu werden. Der Preis für diesen Erfolg der einstigen rechten Hand des autoritären Regierungschefs Meèiar war zu hoch. Gasparoviæ distanzierte sich nämlich überhaupt nicht von der gehässigen ungarenfeindlichen Kampagne der rechtsradikalen SNS und der linkspopulistischen Agitation des Regierungschefs Fico.
Diese Kampagne des "echten Slowaken" gegen die Ungarn, die ein Zehntel der Bevölkerung stellen, und auch gegen die urbanen Wählerschichten in Bratislava wurde von der gesamten internationalen Presse zu Recht als eine bedenkliche Entgleisung des amtierenden Präsidenten kritisiert.
Die "ungarische Karte" wurde freilich auch deshalb so leicht gegen das liberale und christlich-demokratische Lager in Bratislava und in der Südslowakei ins Spiel gebracht, weil auch in Ungarn die Nationalisten und die Radikalen im Aufwind sind. Der ungarische Staatspräsident Sólyom und der von ihm stets unterstützte Oppositionsführer Orbán haben auch durch ihre häufigen Auftritte in den ungarischen Siedlungsgebieten in der Slowakei und in Siebenbürgen und ihre nicht eindeutige Distanzierung von der nationalistischen Agitation rechtsradikaler Gruppen den slowakischen und rumänischen Nationalisten willkommenen Vorwand geliefert, Misstrauen und Ressentiments gegen die großen ungarischen Minderheiten zu schüren.
Nicht nur auf dem Balkan (in der Mazedonienfrage und in Bosnien), sondern auch im Donauraum erleben wir statt der erhofften Europäisierung einen Rückfall in den Nationalismus. (Paul Lendvai/DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2009)