Fast täglich treffen Japan Erdstöße. Tokio drohen Beben der Stärke 8. Bereits 1963 beschloss die japanische Regierung, die wichtigsten Lebensadern Tokios tief in den Untergrund zu verlegen- Von Martin Koelling aus Tokio 

***

Als 2007 in der japanischen Präfektur Niigata die Erde drei Mal stärker bebte als diese Woche in Italien bebte, starben elf Menschen. Das Atomkraftwerk Kashiwazaki im Zentrum des Bebens erlitt keine größeren Schäden, selbst hundert Jahre alte Häuser überstanden die Stöße, berichtet der deutsche Architekt Karl Bengs, der das Erdbeben in seinem Bauernhaus überlebte. "Die Japaner haben für mich die besten erdbebenresistenten Holzhausstrukturen", sagt Bengs.

Tokio drohen Beben der Stärke 8

Fast täglich treffen Erdstöße das Land. Tokio drohen Beben der Stärke 8. Maßnahmen wie die nachträgliche Aufrüstung des historischen Tokioter Bahnhofs geraten daher leicht zu Weltrekorden. "Dies ist die größte Erdbebenschutzmaßnahme an einem langgestreckten Gebäude", sagt Yukio Tahara von der Bahngesellschaft JR East.

Isolatoren: Bleikern, Gummi und Stahl

Das 1914 eröffnete, 350 Meter lange Bauwerk wird derzeit auf 350 Isolatoren, bestehend aus einem Bleikern, Gummi und Stahl, gestellt, die selbst Beben der Stärke 7 abfangen sollen. Zusätzlich werden 160 Öldämpfer eingesetzt, um die seitlichen Bewegungen des Gebäudes auf unter 25 Zentimeter zu beschränken. Ohne diese würde sich das Gebäude bei einem starken Beben um 30 bis 50 Zentimeter bewegen und mit den Gleisanlagen zusammen krachen.

Von der 50 Milliarden Yen (rund 374 Mio. Euro) teuren Gesamtrenovierung des Bahnhofs entfallen sechs Prozent auf den Erdbebenschutz. Bei einem normalen Haus sind es nur zwei Prozent. Allerdings hat die Stahlrahmenkonstruktion des Bahnhofs auch ohne Dämpfer das Kanto-Erdbeben von 1923 (Stärke 7,9) überstanden.

Tunnel im tiefen Untergrund


Ein anderes Beispiel sind die Versorgungstunnel unter der Millionenmetropole, in denen Strom-, Wasser-, Gas und Telefonleitungen verlegt werden. Der jüngste Abschnitt wird im Regierungsviertel gebaut. Unter dem Asphalt ruckelt ein Bauaufzug 40 Meter tief in einen riesigen Betondom hinab. Am Fuß des Schachts zweigen zwei Röhren mit einem Durchmesser von 7,30 Metern ab.

Im Untergrund sind die Vibrationen schwächer

Bereits 1963 beschloss die japanische Regierung, die wichtigsten Lebensadern Tokios in einem 162 Kilometer langen Tunnelsystem tief in den Untergrund zu verlegen. Beim Kobe-Erdbeben 1995 wurde keine Tunnel-Leitung zerstört, aber viele über oder knapp unter der Erdoberfläche. Der Grund: "Im Untergrund sind die Vibrationen schwächer als an der Oberfläche", erklärt der Erdbebenwissenschafter Yoshiro Nakao.(Martin Koelling aus Tokio, DER STANDARD Printausgabe 9.4.2009)