Geht bald eine "Stadtwache" auf Hundstrümmerljagd?

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Die "Waste Watcher" im Einsatz.

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Plastiksackerln, Hundekot, beschmierte Hauswände und verwahrloste Geschäftslokale mit toten Auslagen. Ausufernde Kriminalität, ein gefährliches Pflaster, ein sehr gefährliches: Wir sind nicht in einem Slum in Südamerika, sondern in Wien - zumindest laut den Aussendungen von ÖVP und FPÖ. Die Freiheitlichen sehen die nationale Sicherheit in Gefahr, in Wien sei das „Sicherheitsfiasko" schon erreicht, sagt Johann Gudenus, Sicherheitssprecher der Wiener FPÖ. Seine Partei fordert einen „Städtischen Ordnungsdienst", die Volkspartei eine „Stadtwache" - der Unterschied ist rein semantisch. Beide Parteien wollen im Grunde dasselbe: Uniformierte Ordnungswächter sollen bei Verwaltungsdelikten einschreiten und wenn nötig Leute abstrafen.

Hütchenspieler und Hunde

Die Wiener ÖVP weiß auch schon, wie das geht. Zunächst müssten die bestehenden Ordnungshüter zusammengefasst werden: Die Beamten von U-Bahnaufsicht, Rathauswache und „Waste Watch" sowie Parksheriffs würden dann Seite an Seite für Gerechtigkeit sorgen. „Unglaubliche Synergieeffekte", nennt das der Wiener ÖVP-Sicherheitssprecher Wolfgang Ulm.
In gleicher Uniform und mit breiter Kompetenz würden die aufgewerteten Magistratsbeamten dann gegen Hütchenspieler, Bettler, Lärmerreger oder auch Spaziergänger mit frei laufenden Hunden vorgehen. Durch die Kompetenz-Aufwertung würde laut ÖVP ein Drittel der Arbeitsbelastung für die überforderten Polizisten wegfallen - so viel Zeit verbrächten diese derzeit mit den solchen vergleichsweise kleinen Vergehen.

Bis zu 3000 Wächter

1000 Magistratsleute könnten so sofort zu Ordnungswächtern avancieren, langfristig soll es 3000 davon geben, kalkuliert Ulm großzügig. Allein: Die in Wien allmächtige SPÖ ist damit gar nicht einverstanden. „Sicherheit kann nicht durch Personen, die man in Uniformen steckt, hergestellt werden", kontert SPÖ-Sicherheitssprecher Godwin Schuster. Für die Sicherheit sei ausschließlich die Polizei zuständig. Er sieht ÖVP und FPÖ allenfalls eine „Schein-Debatte" führen. „Die Frage ist nicht, ob das Hundstrümmerl auf der einen oder der anderen Straßenseite liegt." Es gehe um Kriminalität. Ähnlich sieht das der grüne Stadtrat David Ellensohn: „Die angeblichen Jugendbanden bekämpft man nicht, indem man drei Polizisten hinschickt und sagt: Schleicht's euch!" Er plädiert für mehr Sozialarbeiter auf Wiens Straßen.

Graz jagt Wildpinkler

In Graz - wo die Grünen mitregieren - ist die Ordnungswache seit Dezember 2007 Wirklichkeit. Dort marschieren 18 Magistratsbeamte - teils ehemalige Straßenkehrer und Putzkräfte - auf, um die Erziehung im öffentlichen Raum zu übernehmen. Taubenfütterer, (aggressive) Bettler und Studenten, die durch Fußgängerzonen radeln, werden dort eines Besseren belehrt. Bei Widerstand gibt es Geldstrafen zwischen zehn und 35 Euro. Das sogenannte Wildpinkeln ist noch eines der schwersten Delikte.

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) will die Ordnungswache nun aufstocken - das Alkoholverbot vom Grazer Hauptplatz wurde auf die Flaniermeile rund um die Uni ausgeweitet. Zurückgreifen wird Nagl wohl wieder auf Gemeindebedienstete. Busfahrer und Müllmänner mutieren dann nach mehrwöchiger Ausbildung quasi zur lokalen Autorität. „Nur weil einer ein guter Straßenbahn-Schaffner war, heißt das nicht, dass für diese sensiblen Dienste geeignet ist", lamentiert eine Grazer Grüne, deren Partei die Ordnungswache bei den Koalitionsverhandlungen zähneknirschend hingenommen hatte.
Die Meinung in der steirischen Landeshauptstadt ist gespalten: Die einen sehen in den Wächtern ihre Freunde und Helfer, andere wieder ungefragte Besserwisser, die ihnen für Lappalien Geld abknöpfen. Was kaum einer weiß: Die Ordnungswache kann das Zeigen des Ausweises nicht zwingend verlangen - doch fast niemand hinterfrage die Aufforderung, berichten die Ordnungswächter.

Nachwuchsgangster

„In Wien haben wir es wahnsinnig leicht - wir können ja sofort ein Landesgesetz erlassen", meint ÖVP-Gemeinderat Ulm. Die Wiener Ordnungswächter - sollten sie je kommen - müssten auf alle Fälle Ausweise verlangen können, sagt er. Damit überholt er sogar die FPÖ, deren Sicherheitssprecher Gudenus dieses Recht exklusiv in Polizei-Reihen belassen will.
Für den Wiener Wahlkampf zeigt sich die FPÖ dennoch verbal gerüstet. Dass Bundes- und Landesobmann Heinz-Christian Strache die Sicherheit der Hauptstadt kollabieren sieht, ist mittlerweile ein innenpolitischer Ritus, der ungefähr so überrascht, wie wenn die Gewerkschaft faire Löhne fordert. In Gudenus' einschlägigen Aussendungen steigt die Kriminalität in Wien daher auch regelmäßig „ins Unermessliche" und nimmt die „Brutalität von meist ausländischen Nachwuchsgangstern" stetig zu.

Wiener Wahlkampfthema

Für die SPÖ könnte die populäre Meinung, dass Wien nicht mehr sicher sei, im Wahlkampf zum Problem werden. „Glaube ich nicht", sagt der rote Sicherheitssprecher Schuster. Bürgermeister Michael Häupl „putzt sich gerade bei der Sicherheit nicht ab", betont er. Die Wiener SPÖ bemüht sich mit Näherrücken der Wahl auffallend, der rechten Konkurrenz möglichst wenig Terrain zu lassen. Schon länger schickt die SPÖ Parkbetreuer durch die Wiener Grünanlagen. Und in den Gemeindebauten käme es zur Renaissance der Hausmeister, kündigte Häupl an.
Gudenus verspricht dennoch, die Wiener Sicherheit werde im FPÖ-Wahlkampf „eine herausragende Rolle" spielen. Auch die ÖVP werde das Sicherheitsgefühl der Wiener „ganz sicher" thematisieren, sagt Ulm. Für die Grünen sei es schwierig da zu punkten, räumt Ellensohn ein: „Aber wir schreiben sicher kein Plakat, auf dem steht ‚Fünf mal soviel Polizei - und Wien wird ein Paradies'." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 9.4.2009)