Die Lehrer-Gewerkschaft wehrt sich mit allen Kräften gegen eine Ausweitung der Arbeitszeit. Auch der Stopp von weiteren Bildungsreformen wird unter Umständen in Kauf genommen, um ein Mehr an Unterrichtszeit zu vermeiden. "Die Gewerkschaft wird medial oft mit einem Betonierer-Mascherl versehen." Dies oft auch zu Unrecht, sagt Daniel Landau, Mitbegründer der Plattform "ProfsPro", die zu einem sachlichen Dialog über die Zukunft der Bildung aufruft. Im Interview mit derStandard.at spricht er über die notwendige De-Emotionalisierung der derzeitigen Debatte und Politiker, die sich aus der Verantwortung stehlen. Die Fragen stellte Teresa Eder.

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derStandard.at: Die Plattform "Profs Pro" wurde im Zuge der Lehrerstreitereien gegründet. Auf Ihrer Homepage wird ausdrücklich angeführt, dass die Plattform sich nicht gegen die Lehrer-Gewerkschaft richtet. Andererseits wäre doch solch eine Plattform obsolet, wenn die Lehrer-Gewerkschaft alles richtig machen würde. Fühlen Sie sich von der Gewerkschaft nicht gut vertreten?

Landau: Nein, die Gewerkschaft existiert zu Recht. Es ist das legale Anliegen der Gewerkschaft, sich um die Arbeitsbedingungen der von ihnen Vertretenen zu kümmern. Insofern haben wir auch ganz bewusst klargestellt, dass wir die Gewerkschaft nicht konterkarieren. Ein Auseinanderdividieren der Vertreter-Gruppen wäre kontraproduktiv für die Sache selbst, aber auch für die Lehrerschaft und ihre Interessen. Wenn wir allerdings darauf aufmerksam machen können, dass es an der Zeit wäre, zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren und diese etwas zu de-emotionalisieren, um dann zu den notwendigen Fragen einer Bildungsreform zurückzukommen, dann wären wir schon sehr glücklich.

Es geht nicht darum, ob wir uns gut vertreten fühlen oder nicht. Es ist ein Aufruf an beide Seiten: lösen wir das schnell und kehren wir zurück zu den wichtigen Fragen. Der Aufruf der Gewerkschaft „Dann müssen wir eben Reformen absagen" wäre wirklich ein Weg in die falsche Richtung. Es sind Reformen dringend notwendig, die gehören diskutiert. Man muss auch nicht immer ganz zufrieden sein mit der Lösung. Aber ein Stillstand, geschweige denn ein Rückschritt, wäre ein katastrophales Signal.

derStandard.at: Sie haben die politische Debatte mitverfolgt. Wie kann es hier zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen?

Landau: Unsere Plattform tritt bewusst nicht (partei-)politisch auf, das ist nicht unser Anliegen. Trotzdem: man sollte sich aus einem so wichtigen Anliegen wie der Bildungspolitik nicht aus der Verantwortung stehlen. Derzeit haben wir in der Lehrerzeit-Debatte ein Problem, das die gesamte Regierung betrifft. Wenn man daraus nur eines der Bildungsministerin zu machen versucht, finde ich das nicht okay. Eine der Regierungsparteien hält sich ziemlich geschickt heraus. Man muss auch fragen dürfen, ob es nicht möglich ist, das Budget für wichtige Anliegen ein wenig umzuschichten.

Ich glaube, um auch vor der eigenen Tür zu kehren, dass von den Lehrern eine Art Solidarbeitrag verlangt werden kann. Es ist nicht die Aufgabe der Lehrerschaft selbst über diesen Beitrag nachzudenken, aber ich glaube, dass man schon auch für die Tatsache, dass man in einem mehr oder weniger gesicherten Berufsfeld agiert, einen sozial abgewogenen Solidarbeitrag leisten kann - egal, wie der jetzt konkret aussieht.

derStandard.at: Was hält die Plattform „Profs Pro" von der angedachten Unterrichts-Ausweitung um zwei Stunden?

Landau: Die Plattform stellt sich bewusst dagegen. Die Botschaft war eine unglückliche, auch wenn die Bildungsministerin das vielleicht gar nicht so gemeint hat. Medial rübergekommen ist einerseits: Ihr arbeitet eh zu wenig, regt euch nicht über die 2 Stunden mehr auf.

Andererseits ist eben auch die Reaktion unglücklich, zu sagen: wir arbeiten eh schon so und so viele tausend Stunden. Diese Stundenzählerei entspricht dem Berufsbild nicht. Deswegen wäre es auch an der Zeit, das Besoldungsrecht neu zu formulieren. Es ist an der Zeit, über eine Flexibilität der Unterrichtsinhalte und der Unterrichtszeiten zu diskutieren. Es gibt so wichtige Dinge, über die gesprochen werden muss.

derStandard.at: Wenn die Gewerkschaft jetzt auch in Erwägung zieht, die Maßnahmen zu Lasten der Schulreform und damit der SchülerInnen zu stoppen, um einer Arbeitszeitausweitung zu entgehen, stellt sich die Frage wer die Interessen der SchülerInnen hier noch wahrnimmt?

Landau: Ich glaube, dass beide Seiten, Gewerkschaft und Ministerium, die Interessen der SchülerInnen gerne vertreten würden. Das ist eben jetzt eine punktuelle Aussage um das Ruder an sich zu ziehen und damit die Position der eigenen Interessen zu stärken.

Es ergibt sich aber im Moment eine unangenehme, dynamische Situation, wo ein Wort das andere ergibt. Es kann die Forderung der Stunde nur sein, dass man hier entschleunigt und entemotionalisiert.

derStandard.at: Die Debatte dauert nun schon länger als einen Monat. Was sagen Sie zum Image der Lehrer, wie es derzeit in der Öffentlichkeit transportiert wird?

Landau: Es ist ein unglaublich emotionales Thema und allen sehr wichtig, wie man merkt. Natürlich bin ich mit der derzeitigen Richtung der Diskussion nicht glücklich. Ein Deutschlehrer würde sagen: klassische Themenverfehlung. Die Diskussion entspringt zweierlei Punkten: erstens, dass es in uns ein Bedürfnis gibt, alles zu messen und zu werten. Ich glaube, dass auch ein Sozialberuf bewertet werden soll - ich will dafür keinen Freibrief. Aber es sollte zuerst einmal die Leistung eines Lehrers definiert werden, denn im Moment ist das nur unzureichend evaluierbar. Die Leistung besteht nicht nur darin, dass Schüler nach dem Unterricht eine gewisse Leistung erbringen können. De facto sind wir heute mit der komplexen Persönlichkeit ganz vieler Schüler konfrontiert - man kann sich nicht mehr nur um sein Fach kümmern. Hier muss die Leistung neu bewertet werden und das findet nicht statt.

Das zweite Bild, das vorherrscht, ist jenes, dass der Mensch eine Vermeidungshaltung einnimmt, sobald er nicht kontrolliert wird. Das entspricht gar nicht meinem Menschenbild. Ich bin der Überzeugung, dass der Mensch an sich gute Leistungen bringen will. Wir alle haben eine starke Motivation, gut sein zu wollen in unserer Sache. Wenn man das mit der Image-Frage vereint, dann muss man zur Ausbildung zurückgehen.

Es muss in den Köpfen der jungen Lehrerinnen und Lehrer ganz stark verankert sein, dass sie tagtäglich mit ganz vielen komplexen Persönlichkeiten zu tun haben. Das muss man wollen. Wenn man das nicht will, soll man bitte nicht Lehrer werden.

derStandard.at: Wäre Streik eine Möglichkeit, um die Interessen durchzusetzen?

Landau: Streik ist ein legal vorgesehenes Mittel für grobe Eingriffe. Daran finde ich nichts Dramatisches. Es muss aber auch klar sein, dass das ein letzter „Jolly-Joker" ist. Umso vorsichtiger muss man mit der Maßnahme haushalten.

derStandard.at: Wie ist das Verhältnis der Plattform zur Gewerkschaft?

Landau: Wir hatten Kontakt mit der Lehrer-Gewerkschaft. Das war auch sehr produktiv. Ich glaube, dass die Gewerkschaft medial oft mit einem Betonierer-Mascherl versehen wird. Ich kenne selber in der Gewerkschaft, insbesondere in der Personalvertretung, ganz aufgeweckte positive, konstruktive Kräfte, die manchmal auch nicht medial gehört werden wollen. Ich will nicht sagen, dass die Gewerkschaft immer die progressivste ist, aber da gibt es sehr viele konstruktive Vorschläge, über die nicht geschrieben wird. Natürlich wird von Seite der Medien auch immer eher in Richtung Konfrontation berichtet und das ist für die Sache auch nicht hilfreich.

derStandard.at: Wie wird der Lehrer-Streit weitergehen?

Landau: Ich kann keine Prognose abgeben. Ich glaube, wenn man alle Kräfte vereint, kommt man zu einer Lösung. Ich bin Optimist, sonst wäre ich nicht Lehrer. (Teresa Eder/derStandard.at, 10.04.2009)