Wien - Wenn es nach Rudi Mayer geht, ist das Urteil eindeutig: Abschaffen! Und zwar gänzlich. Zumindest gehöre die Geschworenengerichtsbarkeit dringend reformiert fordert der Strafverteidiger, der zuletzt mit seinem Mandanten Josef F. vor einem St. Pöltener Laiengericht stand.
Reformbedarf sieht Mayer in drei zentralen Bereichen: Das Urteil der Laienrichter müsse zwecks Anfechtbarkeit begründet werden, die Geschworenen sollten ein Auswahlverfahren durchlaufen und: Das Quorum zur Klärung von Schuld oder Unschuld müsse neu gestaltet werden.
Auch Rechtsanwaltskammerpräsident Gerhard Benn-Ibler kann sich Reformen in den genannten Bereichen vorstellen. Aber: "In den Grundsätzen würde ich nichts ändern." Will heißen: Die Schuldfrage soll weiterhin von Laienrichtern entschieden werden, die Straffrage im Zusammenspiel Geschworene und Richterbank. Genau diese Aufgabenverteilung will aber Justizministerin Claudia Bandion-Ortner neu ordnen. Ihr Argument: Selbst der ideale Laienrichter sei mit der Komplexität der Aufgabe überfordert, eine Begründung des Urteils stünde dringend an - und das könne man den per Wählerverzeichnis zufällig ausgewählten Geschworenen wohl wirklich nicht zumuten.
"Nix verstehen"
Der ideale Geschworene ist ohnehin fernab der Realität, weiß Rudi Mayer und liefert ein Beispiel aus dem Gerichtssaal: "Nach meinem Endplädoyer nach einer Woche Mafiaprozess zeigt eine Geschworene auf, der Richter fragt, was sie hat und sie sagt ,nix verstehen'." Darüber hinaus habe die Frau über keine weiteren Deutschkenntnisse verfügt. Mayer: "Stellen Sie sich vor, die geht jetzt rein in die Beratung."
Ein Auswahlverfahren für Geschworene hält auch die Justizministerin für einen "überlegenswerten Ansatz" , lässt sie dem Standard ausrichten, das alleine sei aber noch keine hinreichende Reform. Und auch Benn-Ibler denkt laut nach: "Eine Auswahl, die ein bisschen strukturierter ist als jetzt, sollte man den Verteidigern und dem Staatsanwalt überlassen."
Für Strafrechtsprofessor Manfred Burgstaller ist das hingegen viel zu heikel: "Dass man Geschworene ablehnen darf, lädt zu Missbrauch ein." Burgstaller, ein prononcierter Befürworter der Laiengerichtsbarkeit, will nur an einem Punkt einhaken: Die Rechtsbelehrung der Geschworenen solle im Beisein von Verteidiger und Staatsanwalt erfolgen.
Laut Burgstaller werden in Österreich lediglich ein Prozent aller Urteile von Laienrichtern gefällt. Und zwar vor allem dann, wenn es um Delikte mit der größten Strafandrohung geht wie Mord (zehn bis zwanzig Jahre oder lebenslang) oder schwerer Raub (fünf bis fünfzehn Jahre).
Derzeit stehen acht Laienrichter drei Berufsrichtern gegenüber . Die Ministerin will das Gremium schrumpfen, betont aber, der Überhang werde bei den Laienrichtern bleiben. Jetzt sollen alle Varianten diskutiert werden. Im Gespräch: Sechs Geschworene, zwei Berufsrichter, eine gemeinsame Urteilsfindung. Für die Umsetzung ist eine Verfassungsmehrheit nötig. Und: Die Strafverteidiger sollen laut Ministerium mit an Bord sein. Die sind in Sachen Urteilsfindung ablehnend, wollen aber bei der Auswahl der Geschworenen künftig ein Mitspracherecht haben. (Karin Moser/DER STANDARD-Printausgabe, 10. April 2009)