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Ein Sicherheitsbeamter vor dem Parlament in Chisinau. Antikommunistische Zeichen auf den Pfeilern zeugen von den Tagen des Aufruhrs vergangene Woche nach den Parlamentswahlen.

Foto: Reuters/Denis Sinyakov

Keiner weiß genau, wer den Aufstand gegen die kommunistische Regierung nach den Wahlen in der Republik Moldau organisierte. Studenten erzählen, sie hätten SMS von Freunden auf ihrem Handy bekommen.

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Abseits der Demonstranten stehen ein paar Personen in kleinen Gruppen beieinander. Manche Studenten vermuten, dass es sich um Polizeiinformanten in Zivil handeln könnte. Die Exekutive zeigt aber auch ganz offiziell in Uniform starke Präsenz an den öffentlichen Plätzen in der Hauptstadt Chisinau. Nach den Parlamentswahlen in der Republik Moldau bleibt die Lage angespannt. Die drei größten oppositionellen Parteien fechten die Wahlauszählung an. Alles wartet auf die endgültigen Ergebnisse.

Am Freitag finden sich nur wenige Studenten vor dem Parlament ein, um weiterzudemonstrieren. Sie haben Angst, zu sagen, wie sie heißen, fürchten Repressalien, wenn ihre Namen in der Presse stehen. Die Studentin Tanase F. sagt: "Uns wurde die Exmatrikulation angedroht, wenn wir den Vorlesungen fernbleiben." Die Universitätsleitung führe zudem stündliche Anwesenheitskontrollen durch. Es gebe eine generelle Tendenz zur Überwachung, sagt F.

Gewalt einer kleinen Gruppe

Und die Gewaltausbrüche der Demonstranten am vergangenen Dienstag? Eine kleine Gruppe habe in Slogans die Vereinigung mit Rumänien gefordert, erzählen die Studenten. Diese Leute hätten aber untereinander nicht einmal Rumänisch gesprochen. In Moldau spricht man auch Russisch, Ukrainisch und Gagausisch.

"Die Gewalt ging von einer kleinen, klar erkennbaren Gruppe von jungen oder minderjährigen Personen aus, die dann das Parlamentsgebäude stürmten" , sagt auch Nighina Azizov, die stellvertretende Vorsitzende der Jugendorganisation der oppositionellen Liberal-Demokratischen Partei (PLDM). "Wir haben unseren Mitgliedern geraten, sich auf jeden Fall friedlich zu verhalten, weil wir von Anfang an vermutet haben, dass SMS versandt wurden, um Ausschreitungen anzustacheln."

Misstrauen gegen Ergebnis

Tatsächlich hat alles mit ein paar SMS begonnen, die einige Studenten versandten, um sich vor dem Parlaments- und Regierungsgebäude zu einer Demonstration zusammenzufinden. Sie wollten nicht glauben, dass die Kommunistische Partei mit 49,9 Prozent die Parlamentswahlen vom Sonntag gewonnen hatte. Wer aber mit den SMS angefangen hat und ob dahinter eine Organisation steckt, will und kann ein paar Tage später niemand mehr sagen. Die SMS sei eben "von Freunden" gekommen, erzählen die verbliebenen Demonstranten.

Auch wie die gewaltbereite Gruppe das Parlament stürmen konnte, wissen sie nicht. Die Luke auf dem Parlamentsdach, die im Normalfall versperrt ist, war am Dienstag jedenfalls leicht zu öffnen. Die Randalierer mussten keine Gewalt anwenden, um hineinzugelangen. Im Parlament erzählen umgeworfene Möbel, zerschlagenes Glas und verstreutes Papier von heftigem Vandalismus.

Einige ausgebrannte Fenster im zweiten Stock zeugen vom Sturm auf das Hohe Haus am 7. April. Blitzschnell drangen die Demonstranten an diesem Nachmittag in das bewachte Gebäude, und blitzschnell hissten sie neben der rumänischen auch die europäische Flagge. Aber nicht einmal in diesem Moment griffen die Polizisten, die hinter dem Parlament postiert waren, in das Geschehen ein, erzählen Zeugen in Chisinau.

Dafür mobilisierte die regierende kommunistische Partei andernorts ihre Leute. In einem Elektrizitätswerk im Kreis Balti im Süden des Landes wurden Entlassungen angedroht, sollten Teile der Belegschaft nicht bereit sein, zu prokommunistischen Demonstrationen zu erscheinen, sagt man in Chisinau.

Es wurde auch Sorge getragen, dass sich diese Loyalitätskundgebungen nicht allzu schnell auflösten. Die prokommunistischen "Demonstranten" wurden von dichten Polizeireihen daran gehindert, nach Hause zu gehen, erzählt Tatjana T., die in Chisinau Politikwissenschaft studiert. "Meine Mutter musste drei Stunden lang bleiben. Aus Sicherheitsgründen, wie die Polizei meinte." Manche Moldauer, wie der Chef der Oppositionspartei "Unser Moldau" , Serafin Urechean, denken, dass die Revolte am Dienstag für die Regierung nun leider einen guten Vorwand hergibt, um die Rechte der Bürger weiter einzuschränken. (Paul Balomiri aus Chisinau/DER STANDARD, Printausgabe, 11./12./13.4.2009)