Paris - "Un giorno importante" . So titelte Ferraris Website seine News am Dienstag. An diesem wichtigen Tag fand im Pariser Hauptquartier des Internationalen Automobilververbandes Fia hinter verschlossenen Türen die Berufungsverhandlung in Sachen Diffusor statt. Neben Ferrari hatten auch BMW-Sauber, Renault und Red Bull gegen jenes aerodynamische Teil am Unterboden protestiert, mit welchem Jenson Button im Neuling Brawn GP die ersten beiden Rennen gewann und welches auch Williams und Toyota beflügelt.

Über das Ding bestehen fundamentale Auffassungsunterschiede. Während die Protestierer darin eine Regelwidrigkeit sehen, gehen jene, gegen die protestiert wird, davon aus, dass sie bei der Regelauslegung schlicht vifer waren. Ross Brawn, Eigner von Brawn GP, hatte sich schon bei Benetton und bei Ferrari quasi den Ruf eines etwas genialeren Daniel Düsentrieb erworben. Freilich hatte er weiland auch Regeln gebrochen, was dem siebenfachen Champion Michael Schumacher den Kosenamen "Schummel-Schumi" eintrug.
Bei den vorsaisonalen Testfahrten und bei den WM-Läufen in Australien und in Malaysia hatten die zuständigen Techniker der Fia am umstrittenen Diffusor jedenfalls nichts auszusetzen.

Für Techniker: Die den Diffusor betreffende Vorschrift ist auf www.formula1.com unter Technical Regulations, Article 3 (Bodywork and Dimensions) zu studieren. Brawn: "Ich wäre überrascht, wenn das Berufungsgericht Entscheidungen über technische Sachen machen könnte - es ist eine komplexe technische Angelegenheit." 

Das Berufungsgericht entscheidet schlicht über die sportliche Hierarchie. Geht der Diffusor auch in Paris durch, wird die Konkurrenz wohl brauchen, um diesen abzukupfern oder noch ausgebratener zu konstruieren. Die Betroffenen werden es heute erfahren. Da sind sie schon in China, um sich für den GP am Sonntag in Schanghai vorzubereiten. Oder, wie Ferrari-Teammanager Luca Baldisserri, in Maranello. Schließlich kiefelt der italienische Rennstall am schlechtesten WM-Start seit 1992. Baldisserri bemüht sich als Bindeglied zwischen dem Werk und der Mannschaft auf der Rennstrecke um Besserung der Roten.

Mutmaßliche Weltmeister-Lügen

Weil eine Affäre in der Formel 1 keine ist, köchelt auch die zweite weiter, jene um die mutmaßlichen Lügen des Weltmeisters Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes). Die Fia soll nun Abschriften von BBC-Interviews mit McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh angefordert haben. Dabei geht es um die Frage, ob der Brite in die brisante Angelegenheit involviert war, die am 29. April drastische Strafen nach sich ziehen könnte.

Unmittelbar nach dem GP von Australien sowie vier Tage später hatten Hamilton und der mittlerweile entlassene McLaren-Sportdirektor Dave Ryan mit ihren Aussagen die Rennkommissare in die Irre geführt. Zuerst hatten diese Toyota-Pilot Jarno Trulli wegen eines Überholmanövers während einer Safety-Car-Phase gegen Hamilton mit einer Zeitstrafe belegt. Dann strichen sie Hamilton aus der Wertung, und Trulli bekam seinen dritten Platz zurück. (bez, APA - DER STANDARD PRINTAUSGABE 15.4. 2009)