Im Grunde weiß ja keiner, wie es weitergeht. Die Ökonomen schon gar nicht: Ihre Prognosen werden in immer kürzeren Abständen revidiert, ihre Modelle dürften die Realität nur ungenügend abbilden.

Bitte schön: Wissen es denn die Politiker besser? Die verlassen sich ja stets auf diese Experten - nichts anderes bedeutet es ja, wenn immer wieder betont wird, dass Entscheidungen "sachlich" (und eben nicht "politisch") getroffen würden. Sieht man genauer hin, dann stellt man fest, dass die Politiker immerhin zugeben, dass sie selbst derzeit nicht weiterwissen. Als Beleg dafür kann man heranziehen, dass die beiden großen Parteien in diesem Jahr ihre Programme neu schreiben, die SPÖ das Wirtschaftsprogramm, die ÖVP gleich das gesamte Grundsatzprogramm.

Und doch zeigt eine Market-Umfrage für den STANDARD ein ganz anderes Bild: Anders als noch vor einem Jahr wird den Spitzen der Koalition, aber auch den Parteien, denen sie vorsitzen, in hohem Maße zugetraut, dass sie "eine klare Vorstellung, wie es in Österreich weitergehen soll", haben. Nun mag der Vergleich mit dem in seiner eigenen Partei ungeliebten Alfred Gusenbauer und auch jener mit dem nie als klare Nummer eins der ÖVP erkennbaren Willi Molterer für die Nachfolger Werner Faymann und Josef Pröll besonders günstig aussehen - Tatsache ist aber, dass ein langjähriger Abwärtstrend umgekehrt wurde.

Parteien und Politiker, Sozialpartner und ihre Institutionen, die lange dafür gescholten wurden, dass sie das Land einfach nur verwaltet haben, werden nun wieder als Gestalter wahrgenommen. Umfragen der letzten Wochen zeigen: Sie werden sogar dort als gestaltende Kräfte gesehen, wo sie noch gar nichts bewirkt haben. Viele Österreicher wollen gern glauben, dass die nun anlaufenden Maßnahmen gegen die Krise bereits gegriffen haben.

Vereinfacht gesagt: In krisenhaften Zeiten wünschen sich die Leute eben starke Führung. Man darf es bloß nicht zu sehr vereinfachen. Denn hier geht es nicht um ein Führerprinzip, hier geht es auch nicht um einfache Hau-drauf-Lösungen - man weiß, dass das nicht funktioniert.

Aber man wünscht sich halt auch, dass vertrauenswürdige Politiker voranschreiten, so unsicher sie sich selbst dabei auch fühlen mögen. Und man hofft auf Erklärungen - sehr hoch ist der Anspruch daran ohnehin nicht. Doch gerade in Krisenzeiten müssen Politiker erklären, was sie selbst nicht ganz verstanden haben. Da hilft kein Ausreden auf Experten (deren Wissen derzeit ohnehin nicht viel wert ist), da hilft nur politisches G'spür: Wohin soll sich das Land entwickeln, wohin die EU (die immer mitbedacht werden muss, weil sie ja auch mitgestaltet werden kann)?

Dazu gehört der Mut, eine Richtung zu weisen, auch wenn man den Weg nicht genau kennt, ja: ihn gar nicht kennen kann. Da ist auch Fantasie gefragt: Wie könnten Lösungen aktueller und künftiger Probleme aussehen, wenn man bereit ist, ganz andere Ansätze und ganz andere Mittel zu wählen, als sie der biederen "sachlichen" Verwaltungspraxis entsprechen?

Gerade in diesem Zusammenhang darf, ja muss man auf ideologische Grundsätze zurückgreifen. Die SPÖ tut das mit ihren Ansätzen eines sozialdemokratisch orientierten Wirtschaftsprogramms bereits: Man muss nicht mögen, was drinsteht - aber man ist dankbar dafür, wenn klargestellt wird, wem die SPÖ geben und wem sie nehmen will, wenn sie Umverteilung propagiert. Die anderen Parteien, vorneweg die ÖVP, werden eigene (im Sinne einer klaren Auseinandersetzung: hoffentlich deutlich unterscheidbare) Vorstellungen entwickeln und zur Diskussion stellen müssen. Der Streit darüber, sofern er auf hohem Niveau geführt wird, kann recht produktiv werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.04.2009)